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Der Züri Tirggel erlebt momentan ein kleines Revival. Archivfoto: Gesa Lüchinger

Züri Tirggel: Traditionsreiches Weihnachtsgebäck für Geniesser

Dem Tirggel muss man Zeit geben, damit er sein süsses Geheimnis preisgeben kann. Dass auch in der Herstellung des Zürcher Weihnachtsgebäcks Geduld gefragt ist, zeigt ein Blick in die Tirggel-Produktion der Stiftung St. Jakob in Zürich.

Der Züri Tirggel erlebt momentan ein kleines Revival. Archivfoto: Gesa Lüchinger

Veröffentlicht am: 23.11.2021 – 07.13 Uhr

Mit der Weihnachtszeit beginnt auch wieder die Hochsaison für Schleckmäuler und Naschkatzen. Fast überall bietet sich während dieser Tage eine Gelegenheit, seinen Gaumen mit etwas Süssem zu verwöhnen. Werden Guetsli und Schöggeli im ganzen Land verschlungen, greifen die Zürcherinnen und Zürcher in der Adventszeit wieder des Öfteren zu einem ganz speziellen und traditionsreichen Gebäck: dem Tirggel.

Schmückte es früher fast jeden Christbaum und fand sich in jedem Chlaussäckli, geriet das süsse Honiggebäck mit dem Aufkommen von Marzipan und Schokolade im 19. Jahrhundert ein wenig in Vergessenheit. Nun erlebt es aber ein kleines Revival – auch dank der Stiftung St. Jakob in Zürich, die vor vier Jahren die Tirggel-Produktion in ihre Bäckerei an der Viaduktstrasse mitaufgenommen hat. Und so den Original Züri Tirggel wieder in traditioneller Handarbeit bäckt.

In die Tirggel-Lehre in Wald

Bis zur Einführung der Handelsfreiheit 1830 durften nur Zürcher Stadtbäcker das Gebäck herstellen, weiss Urs Jäckle. Der 55-Jährige hat mit dem Beginn der Tirggel-Produktion bei der Stiftung St. Jakob die Abteilungsleitung übernommen und ist damit regelrecht zum Tirggel-Fan geworden. «Die Geschichte und die Materie des Gebäcks sind einzigartig. Es ist ein wirklich tolles Produkt», sagt Jäckle. Mit seinem Team, das wie im gesamten Unternehmen mehrheitlich aus Menschen mit einer Beeinträchtigung besteht, produziert er mittlerweile fünf Tonnen Tirggel im Jahr. Und die Nachfrage steigt. «Das Gebäck ist vor allem an Weihnachten sehr gefragt, aber auch am Sechseläuten.»

Damit Jäckle und sein Team aber mit der Tirggel-Produktion überhaupt beginnen konnten, musste der Konditormeister nochmals in die Lehre. Und zwar in der Tirggel-Bäckerei von Heinrich und Esther Honegger in Wald. Das Ehepaar stellte das Honiggebäck über 30 Jahre lang in Handarbeit her und übergab sein Wissen und das Inventar samt den rund 250 Modelformen mit 800 Motiven, in welchen die Tirggel ihre filigranen Prägungen erhalten, der Stiftung St. Jakob.

Model als Zeitzeugen

Während vier Monaten begleitete Urs Jäckle Heinrich Honegger bei der Tirggel-Produktion in der Backstube. «Die Chemie zwischen uns hat sofort gestimmt. Er hat mir dann alles beigebracht, was er wusste, und alle meine Fragen beantwortet. Jeder Tag, den ich bei Herrn Honegger sein durfte, war eine Freude», sagt Jäckle. Während Heinrich Honegger dem zukünftigen Tirggel-Bäcker die Tipps und Tricks in der Backstube zeigte, weihte ihn Esther Honegger in die Geschichte der Model ein. Die zum Teil über 400 Jahre alten Holzformen, die sich nun in der Sammlung der Stiftung St. Jakob befinden, verfügen nicht nur über einen hohen finanziellen Wert, sondern auch über einen historischen. Denn die Model mit ihren Darstellungen, die von Wappen über kirchliche Szenerien bis hin zu Stadtansichten reichen, bieten einen interessanten geschichtlichen Einblick in die Stimmung der jeweiligen Zeit.

Deshalb sind die Model in der Produktionsstätte auch sicher in einem feuerfesten Schrank verstaut. Wobei von den ganz alten und wertvollen Holzplatten, die zum Teil im Museum oder bei den Besitzern lagern, eine Kunstharzkopie verwendet wird. Zudem hat mit Modeln aus dem 3-D-Drucker mittlerweile auch die moderne Technologie Einzug in die Tirggel-Produktion gefunden. Das bleibt aber die Ausnahme, denn Jäckles Team setzt weiterhin auf viel traditionelle Handarbeit. Einzig bei der Teigknetmaschine und einer Ausrollmaschine greifen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf technische Hilfsmittel zurück. Ansonsten werden die Tirggel immer noch genau so wie seit je hergestellt.

Viel Handarbeit ist gefragt

Das beginnt mit dem Kochen der Honiglösung. Darin liege auch das Geheimnis eines guten Tirggels, sagt Jäckle. Entscheidend seien die Dichte der Lösung und das Gespür des Tirggel-Bäckers. Stimmt beides, wird die Masse ausgekühlt und das Mehl sanft untergemischt. «Damit der Teig quellen kann, lassen wir ihn jeweils über die Nacht ruhen», erklärt Jäckle. So wird der am Vortag angemischte Teig nochmals vorsichtig geknetet und ausgerollt, zugeschnitten oder ausgestochen, damit er die richtige Grösse für die entsprechenden Model hat. Je nach Dicke des Motivs ist der Teig dann zwischen 1,75 und 2 Millimeter dünn. Dann wird der Teig auf den geölten Model gelegt und mit der Walze angepresst. Das reicht aber nicht aus. «Jeder einzelne Tirggel muss von Hand mit den Fingerspitzen noch nachgedrückt werden, damit das Motiv exakt im Teig abgebildet ist», sagt Jäckle.

Abgelöst vom Model, wird der Tirggel auf seine endgültige Form zugeschnitten oder ausgestochen und auf dem Blech getrocknet, damit die Feuchtigkeit entweichen kann. Anschliessend kommen die Tirggel für rund 90 Sekunden in den extra dafür gebauten Ofen. «Mit dem Aufkommen der Elektroöfen waren nicht mehr so hohe Temperaturen wie im Holzofen möglich, die es braucht, damit die Oberfläche schön braun wird und die Unterseite edel bleich bleibt», erklärt Jäckle den Einsatz des Spezialofens. Je nach aktueller Luftfeuchtigkeit werden die Tirggel zwischen 415 und 425 Grad gebacken. Herausnehmen, abkühlen lassen, und dann ist das Traditionsgebäck schon zum Verpacken bereit oder kann noch in der Backstube probiert werden.

Aber wie isst man einen Tirggel richtig? «Einer Legende nach kann man das nur in Zürich», sagt Jäckle und lacht. «Mittlerweile ist das aber auch an anderen Orten möglich.» Dennoch gibt es einige Punkte, die zu beachten sind. Vor dem Verzehr sollte das Motiv ausgiebig im Gegenlicht betrachtet werden, damit auch der Geist und die Geschichte richtig erfahren werden können. Nach dem Betrachten nimmt man ihn in mundgerechten Stücken in den Mund und «süggelet» den Tirggel, lässt ihn hin- und hergehen. «Man muss sich Zeit lassen, erst so offenbart sich das Geheimnis des süssen Honigs, der beim Abgang auch nochmals dem Hals schmeichelt.» Auf keinen Fall sollte das Zürcher Traditionsgebäck einfach verbissen werden. Denn so bleibt einem der verführerische Geschmack verwehrt.


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