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«Die Beziehung zu meiner Frau hat sich in vielen Dimensionen weiterentwickelt»

In einer Serie erzählen Menschen aus der Region, wie sich ihr Leben durch die Corona-Pandemie verändert hat. Heute mit Peter Luginbühl, Gemeindepräsident aus Rüti.

Veröffentlicht am: 31.08.2021 – 06.54 Uhr

Sie beschäftigt uns schon seit eineinhalb Jahren und wird dies wohl auch noch eine Weile tun – die Corona-Pandemie. Während in den Sommermonaten Lockerungen für einen lang ersehnten Lichtblick sorgen, steigen die Fallzahlen wieder an. Bevor wir uns mit einer möglichen vierten Welle konfrontiert sehen, möchte die Redaktion von Züriost jedoch einen Moment innehalten und einen Rück- und Ausblick wagen.

Wie erleben Oberländerinnen und Oberländer die andauernde Ausnahmesituation? Wie bewältigen sie die Herausforderungen der Pandemie – beruflich und persönlich? Inspiriert von Max Frischs Fragebogen hat die Redaktion 10 Fragen zusammengestellt und Persönlichkeiten aus der Region damit konfrontiert. Heute mit Peter Luginbühl, Rütner Gemeindepräsident (FDP).

Wo hätten Sie, wenn Sie die Wahl gehabt hätten, die Pandemie am liebsten ausgesessen?
Peter Luginbühl: Als Mitglied der Krisenorganisation Corona innerhalb der Zürcher Kantonalbank war ich fast täglich in unserem Führungsraum in Kloten und habe den persönlichen Kontakt innerhalb der Arbeitsgruppe sehr genossen. Bedingt durch meine Krebserkrankung Ende 2020 war ich in den vergangenen 7 Monaten praktisch immer im Homeoffice. Das war ein idealer Arbeitsort mit optimalen Arbeitsbedingungen. Kurzum es hat perfekt gepasst.

Wenn Sie ehrlich mit sich selbst sind, nach Homeoffice-Pflicht und Quarantäne: Wie sehr mögen Sie Ihre Wohnung noch?
Ich habe unser Haus, welches ich vor der Pandemie leider viel zu selten erleben und geniessen konnte, wieder neu kennen und schätzen gelernt. Ich habe auch Dekorations- und Einrichtungsthemen an die Hand genommen und umgesetzt.

Gibt es eine Person in Ihrem Umfeld, bei der Arbeit oder in der Familie, die Sie während der Pandemie mit neuen Augen gesehen haben?
Am Arbeitsplatz habe ich mit einem Peer in der Krisenorganisation über die ganze Pandemiephase eng zusammengearbeitet. Aus einer guten kollegialen Beziehung ist eine echte Freundschaft entstanden. Auch die Beziehung zu meiner Frau hat sich in vielen Dimensionen weiterentwickelt. Unter anderem hat mir der phasenweise Rollentausch in Sachen Kochen und Haushalt die Gelegenheit gegeben, dankbar etwas zurückzugeben. Ich konnte an Themen zu schnuppern, die in den kommenden Jahren durchaus normaler Alltag werden, auch ohne Pandemie.

Was haben Sie in der Coronazeit über sich gelernt?
Ich bin heute in der Lage, aus dem Stegreif in der Küche mehr essbares zu produzieren, als vor der Pandemie. Zudem kann ich den freien Abenden ohne Programm durchaus etwas sehr Positives abgewinnen. Der persönliche Austausch und der tiefgehende Dialog mit Menschen ist und bleibt eine Herzensangelegenheit von mir. Die entstandenen Defizite aufgrund der Pandemie-Spielregeln hat dies nochmals bekräftigt.

Welches Laster, das Sie sich in den letzten Monaten angeeignet haben, würden Sie nun am liebsten wieder loswerden?
Der Tag kann auch vorbeigehen, ohne dass ich täglich die verschiedenen Paketlieferanten bestaune, wie sie auf der Garageneinfahrt zu wenden versuchen. Oder mit anderen Worten, man kann auch mal ein paar Tage nichts bestellen.

Hat sich ihr Verhältnis zum Tod geändert? Wenn ja, wie?
Der Tod ist für mich ins Leben gerückt. Ich habe heute eine noch ganzheitlichere Sicht auf das Leben mit dem Tod als integrierenden Bestandteil. Die unglaublich vielen Corona-Todesfälle, die mich in meiner Eigenschaft als Präsident der Stiftung Krematorium Rüti beschäftigt haben, der Corona-Tod meines Vater und die eigene Endlichkeit im Kontext meiner Krebserkrankung haben mir den Blick  zum Thema nochmals geschärft.

Wofür sind Sie besonders dankbar?
Ich bin sehr dankbar, dass ich trotz rigider Rahmenbedingungen meinen Vater im Kantonsspital Baden in den Tod begleiten und dass ich die empathische, aufopfernde und anstrengende Arbeit des Pflegepersonals selber erleben durfte. Ich bin aber auch dankbar, dass meine Mutter, die gleichzeitig mit meinem Vater im Pflegeheim angesteckt wurde, wieder gesund ist. Als Risikopatient gehörte ich zu den sehr frühen Impfdosisempfängern. Ich bin sehr dankbar, dass Corona in der Folge kaum mit meiner Chemotherapie kollidiert ist.

Welches Buch, das Sie während der Corona-Pandemie gelesen haben, würden Sie besonders weiter empfehlen und warum?
Mit einem Schmunzeln im Gesicht sage ich auch ganz ehrlich, dass das Lesen in unserer Beziehung von meiner Frau abgedeckt wird. Krebszellen mögen keine Himbeeren ist zwar ein Titel, der mich sehr intensiv begleitet hat, aber eben, es ist ein sehr gutes Ernährungsbuch und kein Roman.

Hand aufs Herz: Wie viele Einladungen haben Sie unter dem Vorwand der Selbstisolation sausen lassen?
Mein Herz spiegelt eine Null zurück. Aber ich habe im Umkehrschluss nicht immer ganz korrekt gezählt, wenn es darum ging, liebe Menschen und Freunde zu uns nach Hause einzuladen.

Die Welt ist buchstäblich still gestanden. Geht nun alles weiter wie zuvor? Wird die Entschleunigung, das Rückbesinnen auf Wichtiges, Bestand haben?
Ich hoffe sehr, dass sich die Reflexionsfähigkeit der Menschen, eine Schlüsselkompetenz, nachhaltig weiterentwickelt hat. Dann dürfte eine Lernkurve erlebbar sein. Anderseits ist der Mensch halt nur Mensch und fällt leider allzu oft in seine gewohnten Verhaltensmuster zurück. Als Gemeindepräsident wünsche ich mir, dass das Miteinander in unserem Dorf wieder mehr an Bedeutung gewinnt. Als Marktgebietsleiter der viertgrössten Bank in der Schweiz wünsche ich mir, dass das unkomplizierte und zielorientierte Lösungsverhalten, wie ich es in der Krisenorganisation täglich erleben durfte, auch im  normalen Alltag noch vermehrt Einzug halten wird. Als Peter Luginbühl wünsche ich mir, dass mein Blick auf die Gegenwart die Herzensthemen viel mehr auf die Poleposition heben werden.


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