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Sebastian Utzni ist Künstler und arbeitet in Wetzikon. Bildmontage: Elias Wirth

«Manchmal ist langweilig eben auch sehr gut»

In einer neuen Serie erzählen Menschen aus der Region, wie sich ihr Leben durch die Corona-Pandemie verändert hat. Heute mit Sebastian Utzni, der in der Wetziker Kulti ein Künstleratelier betreibt.

Sebastian Utzni ist Künstler und arbeitet in Wetzikon. Bildmontage: Elias Wirth

Veröffentlicht am: 14.08.2021 – 14.00 Uhr

Sie beschäftigt uns schon seit eineinhalb Jahren und wird dies wohl auch noch eine Weile tun – die Corona-Pandemie. Während in den Sommermonaten Lockerungen für einen lang ersehnten Lichtblick sorgen, steigen die Fallzahlen wieder an. Bevor wir uns mit einer möglichen vierten Welle konfrontiert sehen, möchte die Redaktion von Züriost jedoch einen Moment innehalten und einen Rück- und Ausblick wagen.

Wie erleben Oberländerinnen und Oberländer die andauernde Ausnahmesituation? Wie bewältigen sie die Herausforderungen der Pandemie – beruflich und persönlich? Inspiriert von Max Frischs Fragebogen hat die Redaktion 10 Fragen zusammengestellt und Persönlichkeiten aus der Region damit konfrontiert. Heute mit dem konzeptuellen Künstler Sebastian Utzni. Sein Atelier ist in der Wetziker Kulti angesiedelt.

Wo hätten Sie, wenn Sie die Wahl gehabt hätten, die Pandemie am liebsten ausgesessen?
Sebastian Utzni: Da die Pandemie erstens nicht so einfach und schnell ausgesessen ist und ich zweitens kein Freund von « hätte, könnte und würde » bin: Genau da, wo ich bin.

Wenn Sie ehrlich mit sich selbst sind, nach Homeoffice-Pflicht und Quarantäne: Wie sehr mögen Sie Ihre Wohnung noch?
Zum Glück war ich nicht immer nur zuhause, denn ich habe mein Atelier, und ich schätze es sehr, dass es diese zwei Orte gibt. Doch ganz ehrlich muss ich auch sagen, dass ich mit meiner Familie im Moment auf der Suche nach einer neuen Wohnung bin, da wir uns mal wieder einen Change und auch mehr Platz wünschen. Vielleicht hat die letzte Zeit dazu schon beigetragen.

Gibt es eine Person in Ihrem Umfeld, bei der Arbeit oder in der Familie, die Sie während der Pandemie mit neuen Augen gesehen haben?
Nein, nicht wirklich. Am ehesten vielleicht meine Eltern, die ich lange nicht persönlich gesehen habe, sondern neu über die digitalen Kommunikationskanäle kennengelernt habe.

Was haben Sie in der Coronazeit über sich gelernt?
Ich habe wieder ein bisschen mehr gelernt, was ich wirklich brauche und möchte und was nicht so wichtig ist. Viele Sachen waren im letzten Jahr mit mehr Aufwand verbunden, etwa das Reisen. Da überlegt man sich schon, wo man wirklich hin will und wie man das realisieren kann. Ich habe herausgefunden, dass ich (immer noch) sehr gerne unterwegs bin. Aber es muss nicht Japan oder Australien sein, auch in der näheren Umgebung gibt es immer viel zu entdecken.

Welches Laster, das Sie sich in den letzten Monaten angeeignet haben, würden Sie nun am liebsten wieder loswerden?
Dass ich ständig die News checke, Statistiken anschaue und auch, was dazu kommentiert wird. Es ist einfach so spannend...fast wie ein Liveticker im Sport: ständig neue Entwicklungen und Entscheidungen. Der Umgang mit der Situation unterscheidet sich stark. Auf der einen Seite kann ich mir daraus ein interessantes Bild der Gesellschaft machen und andererseits gibt es Wichtigeres im Leben und sei es nur meinen Kindern eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen.

Hat sich Ihr Verhältnis zum Tod geändert? Wenn ja, wie?
Nein. Ich versuche jeden Tag ganz zu leben und im Reinen zu sein, mit dem, was passiert.

Wofür sind Sie besonders dankbar?
Dass ich diesen Einschnitt in einer sehr privilegierten Umgebung erleben darf. In der Schweiz gibt es ein hochentwickeltes Gesundheitssystem, einen guten politischen Diskurs und Umgang mit einer solchen Situation. Auch ums wirtschaftliche Überleben musste ich mir keine Sorgen machen. In meiner Familie wurde bisher niemand ernsthaft krank, die Kinder konnten weiter in den Chindsgi und die Kita et cetera. Fast ein bisschen langweilig...aber manchmal ist langweilig eben auch sehr gut.

Welches Buch, das Sie während der Corona-Pandemie gelesen haben, würden Sie besonders weiter empfehlen und warum?
Als im Frühjahr letzten Jahres der Lockdown kam, habe ich sofort die « Reise um mein Zimmer » von Xavier de Maistre aus dem Büchergestell genommen. Das ist ein wunderbares Buch von einem, der 1790 in Hausarrest gesteckt wurde und zeigt, dass man nicht weit weg muss, um grosse Reisen zu unternehmen. Er wurde bald wieder freigelassen, weil ihn der Arrest nur kreativer gemacht hat.

Hand aufs Herz: Wie viele Einladungen haben Sie unter dem Vorwand der Selbstisolation sausen lassen?
Keine. Das hätte mir mein Umfeld auch nicht abgenommen.

Die Welt ist buchstäblich still gestanden. Geht nun alles weiter wie zuvor? Wird die Entschleunigung, das Rückbesinnen auf Wichtiges, Bestand haben? Bestimmte Dinge werden sicher Bestand haben, doch es gibt in unserer Zeit nicht einfach eine Entwicklung in einer Gesellschaft: Es wird einiges wie zuvor und andererseits alles anders sein. Das kommt ganz darauf an, wo man hinschaut. Ich reise im Moment mit dem VW-Bus durch Europa (wie jeden Sommer). An der kroatischen Küste sehe ich zum Beispiel, wie einerseits Partys gefeiert werden, als gäbe es keine Pandemie und andererseits, dass immer mehr Leute auf der Suche nach abgeschiedenen Orten sind, Ruhe und Entschleunigung finden wollen.


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