Die Negativschlagzeilen über Chefärzte des Universitätsspitals haben einen Systemwechsel beschleunigt, der sich seit längerem anbahnte und der revolutionär ist für das Zürcher Spitalwesen. Bisher konnten Kaderärztinnen und -ärzte ihr Einkommen steigern, indem sie möglichst viele Zusatzversicherte behandelten – ein Anreiz, mehr als nötig zu operieren. Etliche Spitäler haben diesen Fehlanreiz in ihren Vergütungssystemen bereits beseitigt. Das Unispital, wo Chefärzte und leitende Ärzte verglichen mit anderen öffentlichen Spitälern die höchsten Summen erzielen, schaffte dies nicht freiwillig. Nun greift die Politik ein.
Im Kantonsrat war am Montag eine neue Honorarregelung traktandiert, die für alle vier kantonalen Spitäler gilt: Unispital, Kantonsspital Winterthur, Psychiatrische Uniklinik und Integrierte Psychiatrie Winterthur. Künftig sollen die ärztlichen Zusatzhonorare zu 100 Prozent in die Betriebsrechnung der Spitäler fliessen, statt wie bisher zur Hälfte, und die Spitaldirektionen setzen die Arztlöhne fest. Gemäss dem Regierungsrat sollen diese eine Million Franken nicht überschreiten.
Monsterdebatte über die Zukunft der Spitäler
In der Eintretensdebatte zeigten sich alle Fraktionen einverstanden mit dem Systemwechsel. Betreffend Lohndeckel gehen die Meinungen aber auseinander. Die Linke findet 750’000 Franken genug, die Rechte lehnt eine Limite grundsätzlich ab. Die Detailberatung und die Abstimmung finden in zwei Wochen statt. Am Montag ist der Kantonsrat nicht mehr dazugekommen, denn er debattierte sieben Stunden lang über die Revision des Spitalgesetzes, ohne die Beratung abzuschliessen.
Im Spitalgesetz definiert der Kanton nicht nur die Anforderungen für die eigenen Spitäler, sondern für alle Spitäler, die von ihm einen Leistungsauftrag erhalten. 2023 vergibt der Regierungsrat diese Aufträge neu. Das heisst: Die Gesetzesänderungen haben unmittelbaren Einfluss auf die neue Zürcher Spitalliste. Im Fokus der Debatte standen jene Paragrafen, die unnötige Behandlungen verhindern sollen.
Links und rechts stritten darüber, wie einschneidend die neuen Vorgaben sein sollen. Die Linke befürwortet eine stärkere Regulierung durch den Staat, während die Rechte grundsätzlich Vorteile im Wettbewerb sieht. Die Mitte (früher CVP) stimmte oft mit den Linken. «Wir sind gegen eine starke Ökonomisierung unseres Gesundheitswesens», sagte Lorenz Schmid, der Gesundheitsexperte der Partei. Weil sich aber die GLP häufig auf die Seite von FDP und SVP schlug, blieben SP und Grüne mit ihren Anträgen meist chancenlos.
Hier die umstrittensten Punkte und die wichtigsten Beschlüsse:
Anreize für Überversorgung
Darf der Umsatz einen Einfluss auf die Löhne in den Zürchern Spitälern haben? Der Regierungsrat will die Fehlanreize für eine Überversorgung beseitigen, lässt aber eine Hintertür offen. Gemäss seiner Gesetzesvorlage müssen Listenspitäler «über ein Vergütungssystem für angestellte Ärztinnen und Ärzte verfügen, das keine Anreize für eine unwirksame, unzweckmässige oder nicht wirtschaftliche Leistungserbringung setzt und bei dem sich insbesondere Menge und Art der Behandlungen sowie der erzeugte Umsatz nicht wesentlich auf die Vergütung auswirken». Linke und EVP wollten das relativierende Wort «wesentlich» streichen und klar restriktiv formulieren: Der Umsatz soll sich «nicht auf die Vergütung auswirken». FDP und SVP hingegen forderten, die einschränkende Formulierung zum Umsatz ganz wegzulassen.
Lorenz Habicher (SVP) argumentierte, dass Sonderleistungen von Ärztinnen und Ärzten belohnt werden sollten. «Wo bleibt die Motivation, wenn es sich am Ende des Tages nicht auszahlt? Wir wollen die besten Köpfe auch mit finanziellen Anreizen halten können.» Andreas Daurù (SP) hielt dagegen: «Es kann nicht im Interesse der Patientinnen und Patienten sein, dass sie Opfer von unnötigen Eingriffen werden, um die Kassen von Ärzten und Spitälern zu füllen.»
Schliesslich setzte sich die Version des Regierungsrats durch, für welche Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) warb: «Es kann durchaus Sinn machen, Ärztinnen und Ärzte am wirtschaftlichen Erfolg des Spitals zu beteiligen. Wenn dies nur zu einem geringen Teil der Fall ist, besteht kein Fehlanreiz.»
Höchstfallzahlen
SP und Grüne beantragten einen Paragrafen, der es in sich hat, weil er eine Vorstufe zum Globalbudget ist: Der Regierungsrat sollte die Möglichkeit erhalten, Höchstfallzahlen in ausgewählten Fachgebieten festzulegen. Wenn ein Spital die definierte Zahl überschreitet, soll es für die Behandlung einen reduzierten Preis erhalten. «Mit den degressiven Tarifen möchten wir der Gesundheitsdirektion eine Handhabe geben, um gegen Überversorgung vorzugehen», sagte Andreas Daurù und versuchte insbesondere die Grünliberalen für die Massnahme zu gewinnen. Auf nationaler Ebene, wo diese ebenfalls diskutiert werde, sei die GLP dafür.
Eine etwas mildere Variante mit Bandbreiten statt Höchstfallzahlen schlug Lorenz Schmid (Die Mitte) vor. Auch er versuchte Unterstützung weiter rechts zu gewinnen, indem er darauf hinwies, dass der Vorschlag auf den früheren Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger zurückgeht. Der FDP-Regierungsrat hatte am Ende seiner Amtszeit überrascht, als er einen eher restriktiven Entwurf des revidierten Spitalgesetzes vorlegte. Unter seiner Nachfolgerin Rickli wurde das Gesetz dann wieder entschärft. Spital- und Ärzteverbände hätten erfolgreich lobbyiert, sagten die Gegner der Liberalisierung im Rat. Sie blieben mit ihren Vorschlägen erfolglos. Im Kanton Zürich wird es vorläufig keine Limiten für Behandlungen geben.
Lex Hirslanden
Die linken Parteien wie auch CVP und EVP finden es stossend, dass die Klinik Hirslanden einen Leistungsauftrag des Kantons hat und daher einen Staatsbeitrag in der Höhe von rund 100 Millionen Franken erhält, aber verglichen mit den anderen Spitälern viele lukrative Zusatzversicherte und nur wenig Grundversicherte behandelt – laut Angaben der Gesundheitsdirektion 38 Prozent, während der Schnitt bei 75 Prozent liegt. Vor vier Jahren forderte Mitte-links deshalb schon einmal, die Gewinne der Klinik teilweise abzuschöpfen, erreichte aber im Kantonsrat keine Mehrheit für die vorgeschlagene Sondersteuer. Diese sah vor, dass Listenspitäler mit einem Grundversichertenanteil unter 50 Prozent eine stark progressive Abgabe zahlen sollten – hauptbetroffen wäre die Klinik Hirslanden gewesen.
Jetzt versuchte es Mitte-links erneut und stellte am Montag verschiedene Varianten einer Lex Hirslanden zur Debatte. «Wir wollen die Rosinenpickerei unterbinden», begründete Mitte-Sprecher Lorenz Schmid seinen Antrag, wonach ein Listenspital einen Mindestanteil an Grundversicherten haben muss, der zwei Dritteln des kantonalen Schnitts entspricht. Die Linke forderte sogar einen Mindestanteil von 60 Prozent. Nora Bussmann (Grüne): «Die Listenspitäler sollten solidarisch sein und alle ungefähr gleich viele Grundversicherte behandeln.» Des Weiteren forderte Lorenz Schmid, dass Unternehmensgewinne in der Spitalbilanz bleiben müssten. Auch dies richtet sich gegen Hirslanden, wo Dividenden an ausländische Aktionäre fliessen.
FDP und SVP lehnten alle diese Forderungen ab. Bettina Balmer (FDP) findet es «absurd», den Wettbewerb unter den Spitälern künstlich zu regulieren. Und Lorenz Habicher (SVP) sagte: «Wir gehen mit Unternehmensgewinnen unverkrampfter um als die Linke.» Weil die GLP mit FDP und SVP stimmte, gibt es weiterhin keine Lex Hirslanden.
Autor: Susanne Anderegg
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