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Dieser Böögg wird in Erinnerung bleiben. Foto: Anna-Tia Buss

Der Zürcher Böögg schickte Corona nach 13 Minuten zum Teufel

Plötzlich kam da grüner Rauch aus dem Bauch des Böögg. Dieser und andere Effekte machten das Sechseläuten auf der Teufelsbrücke zum Spektakel.

Dieser Böögg wird in Erinnerung bleiben. Foto: Anna-Tia Buss

Veröffentlicht am: 20.04.2021 – 07.18 Uhr

Schelmisch lächelnd sprach Böögg-Bauer Lukas Meier nur von «ein paar kleinen Special Effects», als er gefragt wurde, was er denn am Morgen so lange noch mit einer Zündschnur am Böögg herumgefingert habe. Das war leicht untertrieben: Der Böögg in der Schöllenenschlucht brachte dem Teufel bestimmt das Fürchten bei.

Nur drei Minuten nachdem St. Peter im fernen Zürich sechse geläutet hatte, knallte es das erste Mal – eigentlich gleich zwei-, nein dreimal. Denn der Knall hallte von den umliegenden Felswänden wider. Aug in Aug mit dem gemalten Teufel auf der einen Wand stand der Böögg noch nur leicht wankend im heftigen Wind auf der Teufelsbrücke.

Dann begann der Dreizack, den er statt des Besens mit nach Uri brachte, Feuer zu speien. Der heftige, kalte Wind trieb nun das Feuer an, sog den gelblichen, dichten Rauch zuerst in die Reussschlucht hinunter, trieb ihn dann hoch hinauf und sorgte für stete freie Sicht auf den Böögg.

Diesem drang plötzlich grüner Rauch aus dem Bauch. Das kann nicht gesund sein. Tatsächlich fiel ihm die Bauchdecke ab. Darunter zeigte sich die grüne blinkende Fratze des Coronavirus. Das hält der stärkste Mann nicht aus. Arm weg, Rumpf weg, Kopf weg. Mit Karacho. Nur der Dreizack stand noch eine Weile auf dem Gestell und fiel dann lautlos in die Schlucht. Die Uhr zeigte 12 Minuten und 57 Sekunden. Es wird ein schöner Sommer, und der Böögg hat Corona zum Teufel geschickt.

Das war am Montagabend. Da hatte der Böögg bereits einen ereignisvollen Tag hinter sich. Rückblende: Am Morgen um 7.05 Uhr verliert der Böögg seine Bodenhaftung. An einem Mobilkran befestigt, schwebt er hoch über der engen Schöllenenschlucht und drehte sich zwei-, dreimal hin und her. Hätte er einen Kopf, würde man glauben, dass er die herrliche Aussicht geniessen will.

Der Kran positioniert den Böögg behutsam auf dem vorbereiteten Holzgerüst. Dort nimmt ihn Böögg-Bauer Lukas Meier in Empfang und rückt ihn zurecht. Dann bohrt er ihm ein Loch in den Hals, um den ultimativen Sprengkörper einzusetzen. Wenn der in die Luft geht, wissen die Zürcherinnen und Zürcher, ob es einen guten oder schlechten Sommer geben wird.

Noch ist es fast windstill in der Schöllenenschlucht. Meier bindet dem Böögg den Kragen um und setzt ihm endlich den Kopf auf. So viel Schnee hat wohl noch kein Böögg vor ihm gesehen. Die grandiose Bergkulisse toppt den Blick auf den Zürichsee und das Opernhaus als Hintergrund. Mit sicherem Stand blickt der Böögg um 7.30 Uhr von der Teufelsbrücke zwischen den hohen Felsen hinab ins Tal – und dem auf der gegenüberliegenden Felswand aufgemalten Teufel direkt ins Gesicht.

Währenddessen beginnen zu seinen Füssen die Helferinnen und Helfer von Grün Stadt Zürich, assistiert von «Jungzöiftern», die Holzbürdeli seines Scheiterhaufens zu stapeln. Doch brauchen sie etwas Geduld, denn Lukas Meier hat sein Werk noch nicht ganz vollendet: Er hantiert noch mit einer Zündschnur – sie wird später für die «Special Effects» sorgen.

Wie lange trotzt er den Flammen?

Wie lange gibt der Böögg-Bauer dem heurigen Böögg? Einfach sei dies nicht. Andere Witterung, andere Temperatur. Zudem sei das Stroh, mit dem der Kerl gestopft ist, noch vom letzten Jahr. Also trockener als normal. Auch sei der Scheiterhaufen wegen der engen Platzverhältnisse rund zwei Meter weniger hoch. Also: wie lange?

Da sei eben noch der Wind, gibt Lukas Meier zu bedenken. «Meine grosse Angst ist, dass heute Abend der Böögg völlig weiss bleibt, weil der Wind horizontal durch die Schlucht fegt.» Doch schliesslich ringt er sich durch: 18 Minuten und 19 Sekunden. Das würde einen mittelmässigen Sommer bedeuten. Zum Glück strafte ihn der Böögg Lügen.

Bereits ein paar Tage zuvor wurde ein Holzgerüst geschreinert, um dem Scheiterhaufen Stabilität zu geben. Der ist aufgrund der engen Platzverhältnisse etwa zwei Meter weniger hoch als üblich. Trotzdem sind es immer noch mehr als 4000 Reisigbündel, die nun aufgehäuft werden müssen. Bis Mittag waren etwa zwei Drittel des Holzes unter dem Böögg aufgeschichtet.

Die Holzbürdeli haben die «Zoifter» an den letzten paar Samstagen im Stadtzürcher Juchhof in mühsamer Handarbeit gebunden.

Was halten die Urner vom Böögg?

In Andermatt haben manche gar nicht mitbekommen, welches Spektakel sich bei ihnen am Dorfrand anbahnt. So eine «Puppe» soll offenbar verbrannt werden, sagt eine Frau, die im Service arbeitet. Ein junger Passant wiederum erzählt, er habe einen Brief «von Altdorf unten» bekommen mit der Information, dass um sechs Uhr die Kantonsstrasse für eine Stunde gesperrt sei.

«Gute Werbung für uns», findet eine Frau und weist rundum auf die nahen, immer noch schneebedeckten Berghänge. Die Wildhüter seien gar nicht erfreut, erzählt ein Mann, der den Verkehr regelt. «Die spüren das Wild noch. Die Tiere sind sehr empfindlich.» – «Ach was, das Militär ‹chläpft› auch ständig», entgegnet jemand.

Eine kleine Drohung

«Die Touristen interessiert so etwas», heisst es allenthalben. Die Einheimischen nicht? «Ach wissen Sie, bei uns ändert sich gerade vieles. Wir werden richtig international.» Da nimmt man offenbar auch diesen weissen alten Zürcher, der in der Schöllenen Lärm macht, in Kauf. Schliesslich bringt es ein alter, knorriger Mann auf den Punkt: «Das ist alles Ansichtssache!»

Eine kleine Drohung schiebt einer nach: «Wenn denn heute Abend der Wind so richtig durch die Schöllenen pfeift, müssen die Zürcher aufpassen, dass der Teufel den Stein nicht bis hinunter auf den Sechseläutenplatz wirft.» Der Wind kam, und zwar furios. Er verschonte zwar den Sechseläutenplatz, aber wehte fast die beiden angereisten Zürcher Magistratinnen, Regierungspräsidentin Silvia Steiner und Zürichs Stadtpräsidentin Corin Mauch, von der Brücke.

Weshalb in der Schöllenen?

Dass der Böögg auf der Teufelsbrücke statt auf dem Sechseläutenplatz verbrannt wird, hat natürlich mit Corona zu tun. Letztes Jahr fiel deswegen das ganze Sechseläuten ins Wasser, dieses Jahr sollte zumindest das volksnaheste Element des Zürcher Frühlingsfestes stattfinden – einfach ohne Volk. So entschied das ZZZ, das Zentralkomitee der Zünfte Zürich, vor drei Monaten.

Laut ZZZ-Sprecher Victor Rosser wurden auch alternative Standorte im Raum Zürich geprüft. Etwa die Hardturm-Brache oder ein Ledischiff im See. «Wir konnten nirgendwo gewährleisten, dass es zu keinen Menschenansammlungen kommt», erklärt Rosser.

Das ist nun auf der Teufelsbrücke in der engen Schöllenenschlucht einfacher zu handhaben: Ab 16 Uhr ist die historische Schöllenenbrücke nicht mehr zugänglich. Man kann auch keinen Blick mehr auf das Geschehen erhaschen, wenn man nicht dazu berechtigt ist. Ab 17.45 Uhr ist die Kantonsstrasse für eine Stunde gesperrt.

Die Wahl fiel auch deshalb auf einen Standort im Urnerland, weil Uri bereits 2020 Gastkanton am Sechseläuten gewesen wäre. Nun wurde der Gastkanton zum Gastgeber. 2022 soll es dann wieder umgekehrt sein. (Helene Arnet)


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