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Matthias Blum, Pfarrer der Reformierten Kirche Wetzikon, bei einer Trauung. Bild: PD

«Die Ehe dient als Rahmen, in dem das Leben blühen kann»

Vor den Traualtar treten und sich vor Gott und der Öffentlichkeit für immer zueinander bekennen: Auch wenn die kirchliche Trauung nicht mehr zeitgemäss erscheint, liegt vielleicht genau da ihre Stärke.

Matthias Blum, Pfarrer der Reformierten Kirche Wetzikon, bei einer Trauung. Bild: PD

Veröffentlicht am: 24.03.2021 – 11.00 Uhr

Zwei Menschen lernen sich kennen, verlieben sich ineinander, heiraten in der Kirche, ziehen zusammen und gründen eine Familie. Noch vor gar nicht so langer Zeit war das der übliche Weg, der für eine Beziehung vorgezeichnet war und der von der Gesellschaft auch verlangt wurde. «Der Druck, diese Vorgaben so zu erfüllen, ist heute nicht mehr da», sagt Matthias Blum, Pfarrer der Reformierten Kirche Wetzikon. Fanden 1960 im Kanton Zürich noch 3445 reformierte Trauungen statt, waren es 40 Jahre später noch 1223 und 2017 gerade mal 621.

Blum bemerkt, dass es auch in seinem Umfeld Paare gibt, die nicht mehr zum Heiraten kommen, auch wenn sie es eigentlich wollen. «Das Zusammenziehen und das Kinderkriegen geschehen heute schon oft vor der Hochzeit, und für einige ist dann der Aufwand einer kirchlichen Trauung zu gross.» Aus praktischen Gründen werde dann noch standesamtlich geheiratet, aber das grosse Fest, und damit der Höhepunkt, bleibt aus.

Ein Ja mit hoher Verbindlichkeit

Auch bei der Katholischen Kirche des Kantons Zürich sind die Zahlen der durchgeführten Trauungen rückläufig. Eine Ausnahme bildet dabei die Dreifaltigkeitspfarrei Tann-Dürnten-Bubikon. Zwar spürt man wie überall die Auswirkungen des Coronavirus, aber vor der Pandemie gab es Jahre mit bis zu 14 Hochzeiten. Diesen Gegentrend kann sich Stefan Isenecker, Pfarrer der Dreifaltigkeitspfarrei und Dekan des Dekanats Oberland, nicht erklären. Doch auch er sieht die Ursache für den allgemeinen Rückgang der kirchlichen Hochzeiten im gesellschaftlichen Wandel.

«Grundsätzlich hat sich die Verbindlichkeit in Beziehungen und Partnerschaften verändert», sagt Isenecker. Er beobachtet, dass Frustrationspotenzial und Konfliktfähigkeit abgenommen haben und Beziehungen beendet werden, ohne dass darum gekämpft wird. «Heute wird oft von Lebensabschnittspartnern gesprochen. Diese Partnerschaften werden nur für eine gewisse Zeit geführt, und irgendwann ergibt sich dann eine neue Gelegenheit.»

Eine Vorstellung von Beziehung, die sich nicht mit christlichen Werten vereinen lässt. «Für mich ist klar, dass Ehe und Treue stark mit dem biblischen Gedankengut zusammenhängen», sagt Blum. Das Vorbild für die Ehe, so schreibt Paulus im Römerbrief, sei die Hingabe Jesu für die Menschen. «Das bedeutet, dass man nicht einfach verschwindet, wenn es schwierig wird. Sondern, dass man nach biblischem Vorbild alles für die andere Person gibt.»

Paare, die vor Gott Ja sagen und sich öffentlich zueinander bekennen, gehen eine grosse Verpflichtung ein. Gerade in der Katholischen Kirche hat dieses Ja eine noch höhere Verbindlichkeit, da eine Eheschliessung ein Ausschluss für zwei Personen ist und eine zweite Hochzeit nur dann erlaubt ist, wenn die erste Ehe vom Kirchengericht als ungültig erklärt wird. Man müsse sich deshalb gut überlegen, zu was man sich bei einer kirchlichen Trauung verpflichte. «Wenn Paare herkommen und kirchlich getraut werden wollen, dann kriegen sie auch lebenslänglich», sagt Isenecker.

Unbehandelte Themen ansprechen

In der Regel haben sich die Heiratswilligen aber bereits Gedanken darüber gemacht, was diese Verpflichtung bedeutet, bevor sie Blum oder Isenecker aufsuchen. Falls nicht, wird das in den ersten Treffen mit den Seelsorgern nochmals ausführlich besprochen. Dieses Gespräch soll auch dazu dienen, das Paar auf die gemeinsame Zeit vorzubereiten und ihm Tipps und Hilfestellungen zu geben. Blum greift dafür auf einen Ehetest zurück, der freiwillig durchgeführt werden kann. «Der Test behandelt zehn Bereiche, die das Eheleben ausmachen, und bietet einen guten Einblick in die Beziehung.»

Dabei gehe es nicht darum, in jedem Bereich ein bestmögliches Resultat zu erzielen. Vielmehr sollen Themen und Vorstellungen diskutiert werden, die man bisher vielleicht noch nicht besprochen hat, und es soll aufgezeigt werden, wo noch Potenzial vorhanden ist. «Manchmal ist es für ein Paar fast besser, zu wissen, dass es noch Baustellen gibt, wo es daran arbeiten kann, statt dass es sich in falscher Sicherheit glaubt», sagt Blum. Es gehe darum, in die Beziehung zu investieren und bereit zu sein, einen Preis dafür zu bezahlen, damit sich die Partnerin oder der Partner entfalten kann.

Für Paare, die sich in der Katholischen Kirche trauen lassen wollen, gibt es sogar die Möglichkeit, im Vorfeld ein Eheseminar zu besuchen. Dort kann man sich mit anderen Eheleuten, Seelsorgern, aber auch Psychologen oder Medizinern austauschen. «Es wird den Paaren gezeigt, was alles auf sie zukommen kann und was es für Lösungen gibt. Das Ganze dauert einen Tag und lohnt sich auf jeden Fall», ist Isenecker überzeugt. Daneben gibt es von der Kirche getragene Ehetrainings oder Paarberatungen, die nicht nur in einer Krise in Anspruch genommen werden, sondern auch als Pflege der Ehe dienen können. Die von Isenecker getrauten Paare bekommen im Jahr nach der Eheschliessung auch noch sechsmal Ehepost. «Das soll ihnen helfen, über die Bücher zu gehen, zu schauen, wo sie stehen oder was für Sehnsüchte noch unerfüllt sind.»

Eine Garantie für eine funktionierende Ehe können aber weder Blum noch Isenecker geben. «Natürlich wäre es praktisch, wenn ich sieben Werte auflisten könnte, die das Leben gelingen lassen. Aber dann wäre ich ein Fundamentalist», sagt Isenecker. Vielmehr gehe es darum, nach christlichen Werten miteinander zu leben und so dazu beizutragen, dass die Ehe gelinge. Einander verzeihen können, die Hoffnung haben, dass alles gut kommt, oder den Mut haben, Verletzlichkeit zu zeigen: «In jede Beziehung spielt so viel rein. Und wenn Menschen gelernt haben, die Werte leben zu können, dann werden sie auch durch das Leben getragen.» Daher gelte es auch, die Chance, die in der Idee der christlichen Überlieferung liege, wiederzuentdecken, sagt Blum. «Es ist ein wunderbares Design, das uns der Schöpfer gegeben hat. Dass er uns füreinander schuf und die Ehe als Rahmen dafür dient, dass das Leben blühen kann.» Ein Rahmen, der Sicherheit und Basis zum Gedeihen gebe.

Bewusst als Christen leben

Neben den Gesprächen über die Beziehung des Paars ist in den Sitzungen vor der Hochzeit auch die Planung der Zeremonie ein wichtiger Aspekt. In der Reformierten wie auch in der Katholischen Kirche bieten sich den künftigen Eheleuten verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. So können etwa die Traukirche oder die Kirchenlieder gewählt oder die Fürbitte selbst gestaltet werden. «Es gibt Paare, die haben sich vor dem ersten Treffen schon viele Gedanken zur Zeremonie gemacht, und andere brauchen ein wenig mehr Hilfe. Man findet dann immer eine Lösung, und wir bemühen uns sehr, dass es für das Paar auch stimmig ist», sagt Isenecker.

Und wenn dann die beiden vor Gott und der Gesellschaft Ja zueinander sagen, dann ist auch er immer wieder aufs Neue ergriffen. Für Blum kommt der schönste Moment der Trauung erst danach. «Die Paare sind während der Trauung oft sehr angespannt, und deshalb ist es immer ein schöner Moment, wenn es geschafft ist und man die Erleichterung beim frisch verheirateten Paar sieht.»

Auch wenn die Gesellschaft im Wandel ist und immer weniger kirchliche Hochzeiten stattfinden, blicken die beiden Seelsorger hoffnungsvoll in die Zukunft und sehen in der Veränderung auch eine Chance. «Ich glaube, dass es nach und nach mehr Leute gibt, die ganz bewusst als Christen und nach christlichen Massstäben leben und deshalb auch kirchlich heiraten werden», prognostiziert Blum. Auch Isenecker bemerkt bei den jungen Leuten im Religions- oder Firmunterricht eine verstärkte Sehnsucht nach Familie und Partnerschaft. «Jungen Menschen wird vorgegaukelt, dass alles austauschbar ist. Aber Menschen sind das nicht.» Und vielleicht würden sie sich gerade deshalb danach sehnen, die eine Person zu finden und mit ihr für immer zusammenzubleiben.


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