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Igel erwachen immer häufiger zu früh aus dem Winterschlaf. , Bernhard Bader (links) und Dieter Kummer kümmern sich um die hilflosen Tiere. , In Hittnau gibt es jetzt 14 neue Pflegeplätze für Igel. , Diese werden bei der Ankunft zuerst einmal gewogen. , Auch für medizinische Hilfe ist gesorgt. , Dieter Kummer arbeitet dafür auch mit einem Tierarzt zusammen. Seraina Boner

«Das sind einfach Schnügelviecher»

Seit Kurzem gibt es in Hittnau 14 Pflegeplätze für Igel, die auf Hilfe angewiesen sind. Dieter Kummer, Leiter der Igelpflegestation, will damit verhindern, dass die Tiere aufgrund falscher Behandlung noch mehr leiden müssen.

Igel erwachen immer häufiger zu früh aus dem Winterschlaf. , Bernhard Bader (links) und Dieter Kummer kümmern sich um die hilflosen Tiere. , In Hittnau gibt es jetzt 14 neue Pflegeplätze für Igel. , Diese werden bei der Ankunft zuerst einmal gewogen. , Auch für medizinische Hilfe ist gesorgt. , Dieter Kummer arbeitet dafür auch mit einem Tierarzt zusammen. Seraina Boner

Veröffentlicht am: 23.03.2021 – 10.43 Uhr

Ein kleiner Stachelball läuft langsam über die kalte Strasse. Er hält immer wieder an und hustet. Der Igel scheint seine Umgebung kaum wahrzunehmen, kugelt sich nicht einmal ein, wenn man ihn anstupst. Spätestens Letzteres dürfte ein klares Alarmzeichen sein, dass dieses Tier, das eigentlich im Winterschlaf sein sollte, Hilfe braucht.

Doch falsche Tierliebe hat schon so manchen Igel das Leben gekostet, sagt Dieter Kummer. Er hat darum vor Kurzem die Igelpflegestation Hittnau eröffnet. «Ein kranker Igel gehört in die Hände von Fachleuten.» Mit seinen 14 Plätzen für kranke oder geschwächte Tiere will Kummer eine Lücke füllen. Denn Igelstationen sind ein rares Gut.

 

Seit der Schliessung der Igelstation Russikon vor ein paar Jahren befinden sich die nächsten Auffangstellen in Winterthur, Oerlikon oder dann im Kanton St. Gallen. «Es ist ein Elend», sagt auch Bernhard Bader, Präsident des in Russikon ansässigen Vereins Pro Igel, der die schweizweite Notfallnummer für Igel betreibt. «Die Zahl der pflegebedürftigen Tiere steigt seit Jahren an, aber es gibt viel zu wenige Plätze und Freiwillige, um sie wieder aufpäppeln.» Oft bleibe dem Team von Pro Igel nichts anderes übrig, als die Finder zu instruieren, wie sie den Igeln am besten helfen können.

Und genau da liegt das Problem. «Die Menschen wollen die Tiere pflegen und setzen dafür oft die falschen Mittel ein», sagt Dieter Kummer. Er habe schon viele Igel bei sich aufgenommen, denen er klar angesehen habe, dass sie etwa mit Flohspray eingesprüht wurden, das eigentlich für Hunde oder Katzen gedacht wäre. «Da es kaum Medikamente für Igel gibt, greifen auch wir auf Mittel zurück, die für Haustiere gedacht sind. Aber wenn man das Falsche erwischt, kann dies beim Igel zu Nervenschäden oder gar zum Tod führen.»

Er kümmert sich seit rund 30 Jahren um Igel, war einst auch im Vorstand von «Pro Igel » tätig. Er habe alle Tiere gerne, sagt Kummer, pflege sogar die Mäuse, die seine Katze heimbringe, wieder gesund. «Und Igel sind einfach Schnügelviecher.» Er sorgte jahrelang immer wieder für gefundene Tiere bei sich zu Hause, eignete sich ein riesiges Wissen an, sodass sich heute zum Teil sogar die Tierärzte bei ihm erkundigen, wie ein Igel am besten zu pflegen sei. «Ferien konnte ich mir abschminken und die Kosten für die Pflege habe ich immer selber übernommen.»

Durch seine Arbeit und sein Konstruktionsbüro für Maschinenbau habe es aber irgendwann an der nötigen Zeit für die Hilfseinsätze gefehlt – obwohl er mittlerweile pensioniert wäre. Unter anderem durch die Corona-Pandemie hätten die Aufträge im letzten Jahr aber immer weiter abgenommen. «Und ich habe mich auch nicht mehr um neue bemüht.»

Denn im Sommer hatten Dieter Kummer und Bernhard Bader einmal mehr über die prekäre Situation der Tiere gesprochen. Kummer: «Uns wurde klar: Jetzt müssen wir etwas machen.» Mit der Hilfe von Bader und Pro Igel wurde der Verein Igelpflegestation Hittnau ins Leben gerufen. «Ich kümmere mich vor allem um das Administrative, damit Dieter Kummer die Tiere versorgen kann», sagt Bader. Der Verein Pro Igel habe mit einem zinsloses Darlehen den Aufbau der Igelstation mitgetragen.

 

Der Igel sei das einzige Tier in der Schweiz, das nicht bundesrechtlich geschützt ist, sondern in der Verantwortung der Kantone liegt. Der Kanton Zürich mache denn auch klare Vorgaben, wie eine Igelstation betrieben werden darf. Um auch das Arzneimittelgesetz einzuhalten, arbeitet Kummer mit einem Tierarzt in Bäretswil zusammen, wenn es denn nötig ist, ein Tier für eine Behandlung zu betäuben oder gar einzuschläfern.

Seit Kummer die Station im Herbst in Betrieb nahm, hat er schon 22 Igel gepflegt, bis auf drei haben alle überlebt. Momentan befindet sich nur ein Tier in der Station. Ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen ist, sei noch nicht klar. «Es kann sein, dass die Igel im Herbst genügend Futter fanden, um sich ein gesundes Winterschlafpolster anzufressen», sagt Kummer. Doch die Situation sei schon eigenartig, meint Bader: «Im letzten Jahr hätte man um diese Zeit die ganze Station gefüllt.» Genauere Aussagen zur Situation der Igel könne man jedoch erst in ein paar Monaten machen.

Im Gehege bis im Frühling

Das Igelweibchen, das momentan in der Pflegestation wohnt, wäre mittlerweile wieder bei Kräften und bald bereit, freigelassen zu werden. Doch während der kalten Jahreszeit setzt Dieter Kummer keine Tiere in die Wildnis aus. «Die wären aufgeschmissen.» Stattdessen kommt das Tier zur Überbrückung in ein Gehege eines freiwilligen Helfers.

Aber nicht nur Igelstationen, auch ehrenamtliche Helfer mit genügend Fachwissen sind spärlich gesät. Darum ist die Igelstation dringend auf Freiwillige angewiesen, die entweder in der Station mithelfen oder in ihrem Garten ein Aussengehege aufstellen. «Und im Frühsommer und Herbst suchen wir Ersatzmütter für die vielen verwaisten Igelsäuglinge, die von Hand mit der Schoppenflasche aufgezogen werden müssen.»

Für Bernhard Bader ist der Igel das perfekte «Flagship-Tier» für den Naturschutz und naturnahe Gärten. «Denn der Schutz seines Lebensraumes ist das wichtigste für den Igel.» Laubbläser, Fadenmäher und andere grosse Geschütze sind ihm ein Dorn im Auge. «Genau solche Eingriffe führen zum Aussterben einer Art. Ein zu gepflegter Garten ist ein toter Garten.»

Ob man den Igeln, die aus dem Winterschlaf aufwachen, überhaupt helfen soll, halte er für eine berechtigte Frage, räumt Kummer ein. «Hilft man auch kranken Tieren zu überleben, wird die Population geschwächt. Gleichzeitig hat der Mensch aber eine Verantwortung, den Lebewesen zu helfen, denen man den Lebensraum wegnimmt.»

Engagierte Igelfreunde können Sich direkt bei Dieter Kummer via E-Mail igel@ipsh.ch oder Telefon 044 552 57 47 melden.  Wer einen Igel findet, meldet sich nach wie vor bei der Hotline des Vereins Pro Igel 044 767 07 90 oder 079 652 90 42.


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