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Kinderzoo Rapperswil

«Unser Thisiam ist ein richtiger Bulle geworden»

Ein schüchterner Elefantenbulle kommt auf Touren: Seit Dickhäuter Thisiam im Kinderzoo Rapperswil einen Konkurrenten hat, scheint sein Interesse an den Weibchen erwacht. Franco Knie senior verrät amüsante Details zum Liebesakt der Schwergewichte.

Redaktion
Züriost
Dienstag, 29. September 2020, 16:16 Uhr Kinderzoo Rapperswil
Elefantenflüsterer: Franco Knie senior ist froh, dass er den einst so schüchternen Bullen Thisiam nie aufgegeben hat.
Foto: Seraina Boner

Ein Holländer mischt derzeit die Elefantenherde in Knies Kinderzoo auf. Im Mai ist Bulle Mekong (38-jährig) zur Truppe der Dickhäuter in Rapperswil dazugestossen. Er soll dem schüchternen und 16 Jahre jüngeren Thisiam Nachhilfe in Sachen Paarung erteilen. Bisher traute dieser sich nämlich kaum an die Weibchen ran.

Die Ankunft des «grossen Bruders» Mekong habe bereits einiges bewirkt, sagt Franco Knie senior, Gesamtverantwortlicher des Rapperswiler Kinderzoos. Beim Besuch vor Ort schildert er, wie bei Thisiam seither die Hormone verrückt spielen, warum Schwangerschaftsgymnastik bei Elefanten unerlässlich ist und weshalb die Dickhäuter sich bei der «schönsten Nebensache der Welt» durch nichts aus der Ruhe bringen lassen.

Franco Knie, nach seiner Ankunft aus Holland musste der neue Elefantenbulle Mekong zunächst in Quarantäne. Weshalb?

Franco Knie: Immer wenn ein Wildtier aus einem Zoo in ein anderes Land kommt, muss es zunächst in Quarantäne. Das hat mit der Corona-Pandemie nichts zu tun. Mekong ist ja aus Holland zu uns angereist. Bei Elefanten liegt diese Vorgabe bei einem Monat. Mekong kam bei uns also zunächst dreissig Tage ins abgetrennte Elefantenhaus mit einer Sandbox und viel Platz.

Wann wurde er zu den Weibchen ins Gehege gelassen?

Das war kurz nach jenem Monat in Quarantäne. Wir haben dies gruppenweise gemacht: Ein Teil der Elefantenweibchen kam zu Mekong, der andere Teil zu Thisiam ins Gehege. Bereits am dritten Tag hat Mekong schon gedeckt.

Haben Sie dies per Zufall gesehen, oder wurde er videoüberwacht?

Das war sofort augenfällig, denn wir hatten natürlich vermehrt ein Augenmerk auf ihn gerichtet. Auch die Zoobesucher haben es gesehen (schmunzelt). Eine Elefantenkuh hat er am gleichen Tag viermal gedeckt. Ein paar Tage später hat er dann noch eine andere Elefantendame gedeckt. Thisiam hat das natürlich mitbekommen.

Der neue Konkurrent: Bulle Mekong (38) kam im Mai aus Holland nach Rapperswil. Von ihm kann der jüngere Thisiam viel lernen.

Was hat das bei Thisiam ausgelöst?

Wenn Bullen decken, treiben sie die Weibchen in eine Ecke. Dabei gibt es Geräusche bei den Weibchen. Thisiam war aufmerksam und hat das gesehen und gehört. Das hat bei ihm sehr schnell die sogenannte Musth ausgelöst: Eine Verhaltensänderung, in der ein Bulle ein Mehrfaches an Testosteron produziert und paarungsbereit ist. Es brachte sozusagen seine Hormone in Wallung. Thisiam war, seit er bei uns ist, nicht mehr in der Musth. Beide, Thisiam und Mekong, sind jetzt schon seit geraumer Zeit in dieser Phase. Man kann sagen, Thisiam ist dadurch dominanter geworden, er ist jetzt ein richtiger Bulle.

«Thisiam hat den Akt noch nicht bis zum Ende ausgeführt.»

Franco Knie senior

Er hat dann seine ersten Paarungsversuche gestartet?

Genau, die hat er hinter sich. Er ist schon auf die ersten Weibchen aufgesprungen – allerdings hat er den Akt noch nicht, sagen wir, «bis zum Ende» ausgeführt. (schmunzelt) Für ihn war das jedoch bereits ein riesengrosser Schritt. Das stimmt uns zuversichtlich, dass es mit ihm und dem Nachwuchszeugen noch klappen wird.

Wie viele potenzielle Partnerinnen haben Thisiam und Mekong denn in der Elefantenherde in Rapperswil?

Da wir auch ältere Elefantenkühe haben, die theoretisch noch trächtig werden könnten, bei denen uns aber sozusagen die Zeit davonläuft, wollten wir einen erfahrenen Elefantenbullen. Als Partnerinnen infrage kommen sicher die Elefantendame Sandry und ihre sechsjährige Tochter Kalaya. Letztere ist zwar noch relativ jung, hat aber schon ein paarmal einen Zyklus durchlebt. Hinzu kommen noch zwei weitere Elefantenkühe: Rani und MaPalaj. Insgesamt sind es also vier. Die Hauptkandidatinnen sind jedoch Sandry und Kalaya.

Wer sich für welches Weibchen entscheidet, überlässt man den beiden Bullen?

Schön wäre, wenn Mekong jetzt Sandry decken würde und Thisiam später Kalaya. Das wäre ein Sechser im Lotto! Tatsächlich ist Thisiam im Moment eher an Kalaya interessiert und Mekong eher an deren Mutter Sandry. Elefanten haben Sympathien für einen potenziellen Partner oder nicht – das ist wie bei uns Menschen. Wenn wir nicht sehen, welcher Bulle eine Elefantenkuh gedeckt hat und es zu einer Schwangerschaft kommt, müsste man einen Vaterschaftstest machen. Für uns als Zoo ist es eine wichtige Information, zu wissen, aus welcher genetischen Linie ein Junges kommt. Dies, um später Inzucht zu vermeiden.

Wie schnell nach der Paarung würde sich denn zeigen, ob es «eingeschlagen» hat?

Um wirklich sicher zu sein, muss man rund vier bis fünf Monate warten. Anhand von Urin und Blut der Elefantenkühe wird ein Hormontest gemacht. Bleiben die Hormonwerte konstant hoch, dann ist man guter Hoffnung. Diese Werte werden ohnehin regelmässig im Labor überprüft – auch, um Auskunft über den Zyklus der weiblichen Tiere zu bekommen. Ein Zyklus dauert bei den Elefantenweibchen rund zehn Tage und wiederholt sich bis zu dreimal im Jahr. Pro Zyklus sprechen wir von zwei bis maximal drei fruchtbaren Tagen. Das sind also nicht besonders viele Tage im Jahr. Der Bulle erkennt aber schon, wann es so weit ist.

Und dann bringt man die Tiere bewusst zusammen?

Ja, denn über Urin- und Blutabnahme beim Weibchen kann man diese fruchtbaren Tage ziemlich genau bestimmen. Zudem erkennt man es auch am Verhalten der Tiere. Dann sehen wir zu, dass Weibchen und Elefantenbulle zusammen im Gehege sind. Wenns passiert, passierts. Wir forcieren es im Moment nicht.

Gab es zu Beginn Machtkämpfe zwischen den beiden Bullen?

Ja, klar. Mekong ist für Thisiam ein Konkurrent. Das zeigt sich an seinem Verhalten. Manchmal nehmen die beiden Bullen Anlauf und rennen gegen die Abschrankung. Sie bauschen sich dann richtig mit Emotionen auf. Sie sind allerdings nie zusammen im gleichen Gehege, das ist nicht möglich bei zwei Bullen. Deswegen bauen wir nun leicht um: Es braucht ein Tor, damit wir die Gruppen und Bullen gezielt wechseln können. Man versucht zum Beispiel, sie mit dem Futter in einen anderen Bereich zu lotsen.

Ziehen sich Elefanten zur Paarung eigentlich zurück?

Es passiert, wo es passiert. Ein Beispiel: Der Vater von Thisiam, Siam, war ja bei uns im Zirkus. Mein Vater hat damals mit ihm gearbeitet. Einmal warteten die Elefanten vor einem Auftritt alle in einer Reihe hinter dem Zelt. Als der Auftritt in der Manege bevorstand, ist Siam auf eine Elefantendame aufgesprungen. Mein Vater eilte daraufhin zum Kapellmeister und rief ihm zu, er möge doch noch etwas länger spielen als geplant. Bei den Elefanten geht der Akt relativ zügig vonstatten, wir sprechen da von einer bis anderthalb Minuten. Alle mussten also kurz warten, bis Siam fertig war. (schmunzelt)

Elefanten lassen sich dabei durch nichts aus der Ruhe bringen?

Nein, definitiv nicht. Wir haben zu jener Zeit ähnliche Situationen erlebt, als wir mit den Elefanten vom Zirkusplatz zum Bahnhof gelaufen sind, um die Tiere dort zu verladen. Einmal mussten wir mitten auf der Strasse anhalten, weil zwei Elefanten ein Schäferstündchen abhalten wollten. Es blieb uns nichts anderes übrig, als zu warten. Auch hupende Autos konnten daran nichts ändern. Ob die Ampel nun auf Grün oder Rot stand, das war den beiden Involvierten egal. (lacht)

Ändert sich das Verhalten der Elefantenweibchen, wenn sie trächtig sind?

Der Charakter verändert sich, doch das spüren nur wir Pfleger. Die Weibchen bleiben aber ganz normal in ihrer Herde. Und zum Schluss macht man mit ihnen Schwangerschaftsgymnastik.

Franco Knie senior
Franco Knie senior (66) ist der Gesamtverantwortliche von Knies Kinderzoo. Zuvor stand er im Circus Knie viele Jahre als Elefantendresseur in der Manege. Bis 2015 reisten die Dickhäuter mit dem Zirkus durch die Schweiz, dann bezogen sie ihren dauerhaften Wohnsitz im Kinderzoo Rapperswil. Im Elefantenpark liegt der Fokus auf dem Zuchtprogramm. (ran)

Kein Scherz?

Nein. Mit viel Bewegung, der Körper wird durchgestreckt und so weiter. Wir machen das spielerisch, doch es ist wichtig. Denn das Muttertier muss für die Geburt fit sein, das ist ein Kraftakt.

Wagen Sie eine Prognose? Wann gibt es im Kinderzoo wieder ein Elefantenbaby?

Eine Prognose machen wir erst, wenn ein Elefantenweibchen schwanger ist. Bei Kalaya habe ich es genau «gepräicht», es war der 1. November 2014. Dass ich auf den richtigen Tag gesetzt hatte, war jedoch purer Zufall. Es war just am Tag, nachdem wir den Zoo geschlossen hatten. Diese Ruhe hat die werdende Mutter wohl gespürt. (Interview: Ramona Nock)

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