Frau Schäuble, die Corona-Krise hat sich stark auf unseren Umgang ausgewirkt: Alleine bei der Begrüssung müssen wir auf Handschläge, Küsschen oder Umarmungen verzichten. Was heisst das für unser Zusammenleben?
Michaela Schäuble: Zuerst einmal fällt natürlich eine körperliche Nähe weg, und ich glaube auch nicht, dass diese so schnell wieder möglich sein wird. Wenn die Beschränkungen weiter gelockert werden, liegt ein Handschlag wahrscheinlich drin, aber wir werden nicht sofort aufeinander zuspringen. Bis man eine Körpernähe ausserhalb des engsten Freundes- und Familienkreises wieder zulässt, dauert es noch eine Weile.
Macht uns das ständige Abstandhalten auf die Dauer distanzierter?
Das glaube ich nicht. Es passiert ja trotzdem ganz viel Kommunikation, auch nonverbal. Man lächelt sich zum Beispiel zu, mit oder ohne Schutzmaske, und wenn man sich aus dem Weg geht, signalisiert man gleichzeitig mit einem Nicken: Ich respektiere den Sicherheitsabstand. Dadurch, dass die Situation eben so neu ist, sind Werte wie Respekt, Freundlichkeit oder Rücksichtnahme vielleicht sogar noch wichtiger geworden.
Michaela Schäuble arbeitet als ausserordentliche Professorin für Sozialanthropologie mit Schwerpunkt Medienanthropologie an der Universität Bern. Zudem ist die gebürtige Deutsche ausgebildete Dokumentarfilmerin.
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