nach oben

Anzeige

Die 90-jährige Inge Streit (Mitte) turnt seit 60 Jahren in der Frauenriege Bauma. Willy Roth

Nur einmal fiel sie auf die Nase

Inge Streit wurde am 22. Dezember 90 Jahre alt. 1959 begann sie als junge Frau in der Frauenriege Bauma zu turnen. Bis heute ist sie aktiv dabei, obwohl ihr der Chiropraktiker von Purzelbäumen abrät.

Die 90-jährige Inge Streit (Mitte) turnt seit 60 Jahren in der Frauenriege Bauma. Willy Roth

Veröffentlicht am: 23.12.2019 – 15.33 Uhr

Es ist Montagabend und dunkel. Wie jeden Montag seit 60 Jahren fährt Inge Streit von ihrem Wohnort in Hörnen mit dem Auto runter nach Bauma zum Turnen. Sie macht und machte das immer sehr gern. «Es gab Momente, wo man meinen möchte, dass ich nach einem ganzen Tag Gartenarbeit genügend Bewegung gehabt hätte», sagt die rüstige Rentnerin. «Ich bin aber trotzdem immer sehr gerne in die Frauenriege gekommen. Ohne Ausnahme.»

Inge Streit kann sich noch sehr gut an ihre Anfänge im Turnverein erinnern. Im Oktober 1959 begann sie mit dem Turnen in der Frauenriege. Die Aufnahme und die eigentliche Mitgliedschaft folgte dann erst an der Generalversammlung im folgenden Frühling. Zu jener Zeit sei alles noch ganz anders gewesen, erzählt sie. Amüsiert erinnert sie sich an das damalige Aufnahmeritual: «Ich musste vor die Türe treten und drinnen haben sie sich über mich unterhalten. ‹Wollen wir sie, oder wollen wir sie nicht?›» Anschliessend habe man sie wieder hereingebeten. Als alle klatschten, wusste Frau Streit: «Ich bin dabei.»

Ihres Wissens sei auf diese Weise aber keine jemals abgelehnt worden. Auf die Frage, ob sie auch jemals ans Aufgeben gedacht hätte, überlegt die Turnerin. 22 Jahre lang, von 1972 bis 1994, amtete sie als Leiterin in der Frauenriege. Sie habe die Stunde immer mit dem Trampolin und Musik begonnen. Einmal, in der Hälfte dieser Zeit als Leiterin, gab es Widerstand gegen ihre Trainingsmethoden. Genauer gesagt, ein Teil der Frauen fand, ihre Musik sei zu schnell. «Da habe ich gedacht: Jetzt erst recht. Und habe noch 11 Jahre weitergemacht».

Bei Gleichgewichtsübungen wie ein junges Reh  

Irene Widmer, Karin Cossu und Rachel Stierli sind Leiterinnen in der Frauenriege. Alle drei sind sie voll des Lobes über Inge Streits Engagement und vor allem über sie als Mensch. Immer gut gelaunt sei sie und ansteckend fröhlich. Nach jeder Lektion bedanke sich die Turnerin für die tolle Stunde. Auch gehöre für Inge Streit das Zusammensitzen im Anschluss selbstverständlich mit dazu.

Für die Leiterinnen ist Inge Streit ein Vorbild in jeder Beziehung. So vital und lebensfroh mit 90 Jahren, «da ziehen wir den Hut.» Auch für Yvonne Bertschinger, Präsidentin der Frauenriege, ist die Jubilarin ein Phänomen. Sie bezeichnet ihre älteste Turnerin als eine der fleissigsten überhaupt. «Noch immer turnt Inge aktiv und voller Elan mit.»

Gemäss Bertschinger hat Inge Streit die Frauenriege auf ganz verschiedene Arten geprägt. Neben ihrer Zeit als Leiterin amtete sie auch 19 Jahre als Vizepräsidentin, weitere fünf Jahre als Beisitzerin. Die Präsidentin weiss auch von einer 20-Rappen-Busse, die Inge Streit damals für das Zuspätkommen in die Turnstunde eingeführt hatte.

Diszipliniertes an- und abtreten der Grösse nach gehörte selbstredend auch dazu. Die rassige und temperamentvolle Leiterin liess die Turnerinnen zu Musik aus einem breiten Repertoire trainieren. Nicht selten holten diese sich dabei viel Muskelkater. Doch stets hiess es am Montag darauf wieder: «Hacke, Spitze, hoch das Bein!»

Warum denn Purzelbäume schlagen?

Auf die Frage nach Verletzungen in ihrer 60-jährigen Turnerlaufbahn denkt Inge Streit zunächst nicht an sich selbst. Sie erzählt von einer Turnerin, die sich auf dem neu montierten Hallenboden einst den Fuss dreifach gebrochen hatte und danach mehrere Monate nicht mehr turnen konnte. Sie selbst sei aber von grösseren Blessuren verschont geblieben. Nur einmal sei sie bei einem Sturz von der Sprossenwand auf die Nase gefallen.

Schmunzelnd erzählt Inge Streit auch von einem Besuch beim Chiropraktiker wegen eines eingeklemmten Nervs. Im Anschluss hätte sie den Mann gefragt, ob sie mit diesem Problem auch Purzelbäume schlagen könne. Dieser habe sie ungläubig angeschaut und gefragt: «Warum wollen Sie denn Purzelbäume schlagen?» Streit zuckt die Schultern, «Tja, ich erklärte ihm, das gehöre halt zum Turnen.» Der Chiropraktiker habe ihr geraten, sie solle das besser sein lassen.

Mittlerweile geht es die Jubilarin etwas lockerer an. In der Zeit, als sie noch Leiterin war, musste sie bereits ihre Hüften operieren lassen. Zunächst dachte sie, es reiche, einfach zu sagen, wie die Übungen auszusehen hätten. Allerdings musste sie bald einsehen, dass sie diese Aufgabe lieber den jüngeren überlassen sollte und trat als Leiterin zurück.

Bald der Rücktritt

Über ihre Nachfolgerinnen weiss Inge Streit nur Gutes zu erzählen. Die Turnstunden seien immer sehr abwechslungsreich. Und überhaupt: Der ganze Verein, von der Präsidentin über den Vorstand bis zu allen Turnerinnen sei «einfach eine ganz tolle Mannschaft.»

An der nächsten Generalversammlung wird Inge Streit aber nun doch ihren Rücktritt vom aktiven Turnsport geben. Sie weiss schon jetzt: «Das alles wird mir sehr fehlen. Aber als Passivmitglied bleibe ich dem Verein erhalten. Solange ich lebe.» (Willy Roth)


Dieser Artikel wurde automatisch aus unseren alten Redaktionssystemen auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: servicedesk@zol.ch

Kommentar schreiben

Bitte geben Sie ein Kommentar ein.

Wir veröffentlichen Ihren Kommentar mit Ihrem Vor- und Nachnamen.
* Pflichtfeld

Anzeige

Anzeige