Als die Japanerin Kaho am Flughafen Zürich ankam, erwartete sie die Familie Dasen mit einem Plakat auf dem auf Japanisch «Willkommen» geschrieben stand. «Es war richtig geschrieben», sagt Kaho nun beinahe ein Jahr später in solidem Deutsch. Als sie ankam, konnte sie nur Englisch.
«Nicht Fragen, ausprobieren»
Die Gastmutter Christiane Dasen sagt, dass sie sich durch den Schüleraustausch, die Welt in das Wohnzimmer geholt habe. Sie hätte gleich viele Fragen an die Gastschüler, wie diese an sie. Es sei auch eine Chance neues zu erleben. Jüngst ging sie mit Kaho ans Schwingfest. «Da wäre ich sonst nicht hingegangen», so Dasen.
Sie sind eine von acht Gastfamilien im Zürcher Oberland, die von der Organisation AFS vermittelt wurde. AFS ist der älteste der nicht kommerziellen Anbieter für Jugendaustausch in der Schweiz, die der Dachorganisation Intermundo angeschlossen sind.
Sonja Honegger aus Dürnten betreut dank ihrer eigenen Erfahrung als Gastmutter seit beinahe zehn Jahren Gastfamilien für AFS im Zürcher Oberland. «Die Möglichkeit Schüler aus anderen Ländern aufzunehmen war für mich horizonterweiternd», sagt Honegger. «Auch wer nicht viel reist, kriegt dadurch einen vertieften Einblick in eine andere Kultur.»
Es sei Schade, dass viele Familien die Erfahrung nur einmal machen, sagt Honegger. Nicht so die Dasens. Sie nehmen diesen Sommer zum vierten Mal einen Gastschüler auf. Das Grundprinzip der Gastfamilien ist es, dass Familien, deren Kinder in einen Auslandaufenthalt gehen, einen Austauschschüler aufnehmen. «Leider ist die Bereitschaft dazu nicht mehr so gross wie früher», sagt Honegger.
«Familien die sich eignen würden, schrecken oft davor zurück, da sie denken, dass sie nicht genügend Zeit für ein weiteres Kind haben.» Ihr Ratschlag lautet: «Nicht fragen, ausprobieren». Eine Gastfamilie müsse bloss ein wenig abenteuerlustig und unkompliziert sein.
Man könne nicht erwarten, bei den Gastschülern eine straffe Regelung durchzuziehen. Man habe zwar eine Verantwortung über das Kind, wie über die eigenen, aber man soll keine Hemmungen haben, die Schüler auch mal «reinlaufen zu lassen», so Honegger. «Keiner läuft fünfmal von Bubikon nach Dürnten, weil er den letzten Bus verpasst hat».
Vom Papier zur Realität
Eines der Probleme sei, dass die Schüler sich im Vorhinein von der besten Seite zeigen würden, so Honegger. Einer ihrer Gastschüler, der sich auf Papier als Musterknaben geschildert hatte, stellte sich als rauchende und beratungsresistente Person heraus, sodass der Aufenthalt abgebrochen werden musste. Doch stünden sie auch mit ihm, wie mit allen anderen Schülern, noch in Kontakt.
Bei solchen Härtefällen steht Honegger den Familien mit Rat und Tat bei. Wenn die Chemie zwischen Gastschülern und den Familien nicht stimme, werde in Absprache mit AFS und der Schule nach einer Lösung gesucht. Es lasse sich immer eine Ersatzfamilie finden, so Honegger.
Man habe mit Gastschülern oftmals dieselben Probleme, wie mit den eigenen Kindern. Die Familie Dasen blieb davon aber verschont. Es sei jedoch stets eine Sicherheit zu wissen, dass sie sich an jemanden wenden könnte, sagt die Gastmutter.
Zu Beginn seien die Schüler eher scheu, tauten mit der Zeit aber auf und man gewinne ein neues Familienmitglied, so Honegger. Jede Gastfamilie habe ihr eigenes Konzept, damit sich die Schüler als Teil der Familie sehen. Sonja Honegger bot den Schülern an, sie «Mami» zu nennen. Einige taten dies, während ein Gastschüler gefragt habe: «Muss ich denn?» — Natürlich musste er nicht.
Fremd- und Selbstbild
Der erste Monat sei der anspruchsvollste für die Gastfamilie, sagt Honegger. Man müsse alles zeigen: den Schulweg, die Busverbindungen und manchmal müsse man auch nur klarstellen, dass man sich frei bewegen könne. Ein kolumbianischer Gastschüler habe sie zu Beginn des Aufenthalts gefragt, ob er denn nach draussen gehen könne. Er war es sich gewohnt, in einer umzäunten Wohnsiedlung zu wohnen, die er nicht verlassen konnte, ohne sich Gefahr auszusetzen.
Auch Kaho war sich ein anderes Leben gewohnt. In Japan sei alles strikt durchgeplant. Es sei ihr darum schwer gefallen selbst Entscheidungen zu treffen, doch habe sie sich mit der Zeit daran gewöhnt.
Der grösste Unterschied sei aber gewesen, dass Japaner niemanden ansprechen würden, den sie nicht kennen. «Auf der Strasse oder in der Warteschlange, die Schweizer sind immer am reden», sagt Kaho. Auch seien sie offen, hätten verglichen zu Japan lange Ferien und grundsätzlich viel Freizeit.
Kontakt mit der Heimat
Eine weitere Schwierigkeit seien Helikoptereltern, die sich nicht von den Kindern im Ausland lösen wollen. «Auch die Eltern brauchen Betreuung», sagt Dasen schmunzelnd. Dies sei ein frappanter Unterschied zu früher, so Honegger, als die mobile Vernetzung noch nicht allgegenwärtig war.
Die Schüler hätten eher Heimweh, wenn sie täglich mit ihren Freunden und Eltern von zu Hause in Kontakt stehen. Aus diesem Grund hat Kaho nur zu ihren Eltern Kontakt, da sie sonst ihre Freunde zu fest vermisse. Diese sieht sie zwar in fünf Wochen wieder, nur wird sie dann ihre zweite Familie in der Schweiz vermissen.
Informationen
Im August kommen 150 Gastschüler in die Schweiz, die für drei bis elf Monate eine Gastfamilie suchen. Interessierte können sich bei AFS Interkulturelle Programme unter der Nummer 044 218 19 12 oder über die Homepage www.afs.ch/gastfamilie-bei-afs melden.
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