Um die eigene Wehrtüchtigkeit zu gewährleisten, sei die – wiederholte – Lockerung der Waffenexportbestimmungen durch den Bundesrat gerechtfertigt. Das steht im Antwortschreiben an die über 150 Zürcher Pfarrerinnen und Pfarrer der evangelisch-reformierten Landeskirche, die im Juli mit einem offenen Brief an den Bundesrat gegen die Lockerung der Kriegsmaterialverordnung demonstrierten (wir berichteten).
Völkerrechtliche Verpflichtungen werden eingehalten
Das Antwortschreiben des Kommunikationsdienstes des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF fasst dabei lediglich die Argumentation des Bundesrates zusammen, die bereits in einer entsprechenden Medienmitteilung im vergangenen Juni kommuniziert wurde. Demnach passiere die Anpassung der Kriegsmaterialverordnung im Rahmen der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz.
«Dem ist zu widersprechen», sagt der in Wetzikon wohnhafte Pfarrer und Mitunterzeichner der Protestnote Andreas Scheibler. Liefere die Schweiz nun Kriegsmaterial in Konfliktländer, könne niemand kontrollieren, wofür diese wirklich eingesetzt würden.
Waffenlieferungen trotz Vermittlerimage
«Die Schweiz gibt sich gerne als politischen Vermittler und Sanitäter, als Friedenstaube», so Scheibler. «Andererseits liefert sie Munition und Waffen in kriegerische Konflikte, um damit Geld zu verdienen.»
Die Anpassung der Kriegsmaterialbestimmung geschah auf Bestreben der Schweizer Rüstungsindustrie hin. Die Situation der Branche sei prekär, meinte diese vergangenen September in einem Brief an die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats. Auch dem widerspricht Pfarrer Scheibler: «Es gibt aber klare Unterlagen, dass deren Umsätze und Gewinne in den letzten Jahren gestiegen sind.»
Exporte sind gestiegen
Tatsächlich hat der Schweizer Kriegsmaterialexport letztes Jahr um acht Prozent zugenommen im Vergleich zu 2016. Zuvor hat das in Franken gemessene Exportvolumen seit 2011 fast kontinuierlich abgenommen (siehe Grafik).
Das Jahr 2011 war allerdings seit mindestens 35 Jahren absolutes Rekordjahr, was den Export von Kriegsmaterial in Millionen Franken angeht. Bis 2008 waren Exporte von über 500 Millionen Franken die Ausnahme. Und: Seit 1983 lag das Exportvolumen in Franken nur 13 Mal über dem «Tief» von 2016. Zudem wurden im ersten Halbjahr 2018 im Vergleich zur Vorjahresperiode abermals mehr Rüstungsgüter ins Ausland verkauft.
«Geht nicht auf ethische Fragen ein»
Auch der Initiant des offenen Briefes, der Horgemer Pfarrer Johannes Bardill, zeigt sich enttäuscht ob der Reaktion des Bundesrates. «Das Schreiben wiederholt lediglich, was bereits in den Medien zu lesen war», so der Pfarrer, «es geht auf die ethischen Fragen, die wir aufgeworfen haben, überhaupt nicht ein.»
Er habe zwar nicht erwartet, dass der Bundesrat gleich eine Kehrtwende bei den Waffenexportbestimmungen hinlegt. Eine derart oberflächliche Antwort, die nicht einmal die persönliche Unterschrift eines Verantwortlichen trage, habe ihn aber doch etwas erstaunt.
Mahnende Stimmen
Warum sich aber überhaupt an den Bundesrat wenden, wenn mit keinem Ergebnis gerechnet wird? «Nur, weil man kein direktes Ergebnis erzielt, heisst das nicht, dass man nichts tun soll», ist Bardill überzeugt. «Wir sind eine Stimme neben vielen, die zur Vorsicht mahnen.»
Bislang planen die evangelisch-reformierten Pfarrerinnen und Pfarrer, die den offenen Brief an den Bundesrat geschickt haben, keine weiteren Interventionen. «Dafür sind wir zu wenig vernetzt», sagt Bardill.
Kriegsmaterialverordnung zum dritten Mal aufgeweicht
Die Zürcher Pfarrer sind empört. Im Juni hatte der Bundesrat entschieden, die Kriegsmaterialverordnung (KMV) zu lockern, sprich: Rüstungsgüter dürfen nun «unter gewissen Umständen» auch in Krisenländer, also Länder, in denen ein interner bewaffneter Konflikt herrscht, geliefert werden.
Dem Entscheid vorangegangen war ein Vorstoss der Schweizer Rüstungsindustrie vergangenen September. In einem Brief an die ständerätliche Sicherheitspolitische Kommission forderte sie, die Exportbestimmungen zu lockern, da die Wehrtechnikverkäufe eingebrochen und die Situation der Branche prekär sei. Um die heimische «industrielle Kapazität» für die Bedürfnisse der Landesverteidigung zu erhalten, kam der Bundesrat der Forderung der Rüstungsindustrie nach. Er bewilligte damit zum dritten Mal – nach 2014 und 2016 – eine Aufweichung der aus dem Jahr 2008 stammenden KMV.
Anfang Juli richteten sich darum 150 Zürcher Pfarrerinnen und Pfarrer der evangelisch-reformierten Landeskirche mit einem offenen Brief an den Bundesrat. Im Handeln der Landesregierung sehen sie ethische und christliche Werte verletzt. Die «Eindämmung der Kriegswirtschaft» sei zudem schon immer ein zentrales Anliegen der Reformation gewesen. Darum könnten die unterzeichnenden Pfarrer «die Aufweichung der Waffenausfuhrbestimmungen nicht unwidersprochen hinnehmen», schreiben die Postulanten.
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