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Wie viel darf den Menschen im Namen der Virus-Bekämpfung zugemutet werden? EPA

Der Zweck heiligt nicht die Mittel

Wie viel darf den Menschen im Namen der Virus-Bekämpfung zugemutet werden? EPA

Veröffentlicht am: 17.03.2020 – 18.56 Uhr

« So haben diese Länder Corona in den Griff gekriegt »  – unter diesem Titel lobt am Montag die Zeitung Blick die Erfolge bezüglich der Virus-Bekämpfung in Taiwan, Singapur und Südkorea. Auch die Süddeutsche Zeitung preist das Vorgehen dieser Länder. Zugegeben, 59 Infizierte und ein Todesopfer in Taiwan – die Schulen blieben durchgehen offen – ist eine beachtliche Leistung. Man hat aus der Sars-Epidemie gelernt. Bedauernd schlussfolgern die Zeitungen, dass Deutschland und die Schweiz nicht von Anfang an mit den Ländern mitgezogen haben. Man müsse sich diese Staaten als Vorbilder nehmen.

Nahezu ausser Acht gelassen wird dabei der Preis, den die Bevölkerung für diesen Erfolg zahlt. Wer sich nicht an Hygiene-Regeln hält, wird mit hohen Bussen bestraft. Über Handy- und Kreditkartendaten werden in Quarantäne befindliche Personen rund um die Uhr geortet. Wer gegen die Auflagen verstösst, gerät ins Visier der Polizei und muss mit tausenden Franken Bussgeld oder bis zu sechs Monaten Gefängnis rechnen. 

Solche Massnahmen sind nicht nur der aktuellen Situation geschuldet. Sie setzen ein entsprechendes Staatsverständnis voraus. Ohne autoritäre Ausprägung des Staatswesens und Legitimation der Volksüberwachung ist ein solch hartes Durchgreifen kaum möglich. Sind wir bereit, diesen Preis für eine effektivere Seuchenbekämpfung zu bezahlen?

Der italienische Philosoph Giorgio Agamben macht sich gar Sorgen, dass die durch den Virus verursachte « übertriebene Panik »  genau diesem Zweck dienen soll: Die Staaten wollen durch soziale Kontrolle ihre Macht vergrössern. Diese extreme Annahme dürfte nun zwar übertrieben Panik seinerseits sein. Selbstverständlich darf nicht jede aktive Steuerung durch den Staat als soziale Kontrolle und Machterweiterung gedeutet werden – schon gar nicht in einer Krisensituation. Doch sollte man gerade auch umgekehrt aufpassen, dass diese Krisensituation nicht zur Legitimation jedes staatlichen Mittels herangezogen wird.

Wollen wir einen Staat, der den netten Nachbarn zu 2000 Franken Busse verdonnert, weil er nicht gleich beim ersten Hüsteln vorstellig wurde? Ist es tatsächlich wichtig und richtig, dass kranke Personen rund um die Uhr überwacht und kontrolliert werden? Wie weit darf man im Namen der Virus-Bekämpfung gehen? Klar, diese Pandemie darf nicht unterschätzt werden und ja, die Schweiz hätte schneller und effizienter reagieren müssen –  aber Taiwan, Singapur und Südkorea ungefiltert als Vorbilder nehmen und sich deren Massnahmen in die Schweiz wünschen? Aus der aktuellen Panik sollten wir nicht nach Normen rufen, die wir nach der Krise bereuen würden. Die nackte, akute Angst ist bekanntlich kein guter Ratgeber.


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