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Nach den Bäumen der Blätterwald

Der Abstimmungsausgang zur «Amtlichen»-Vorlage weckt in Uster Erinnerungen. Ein Kommentar von Benjamin Rothschild, stellvertretender Chefredaktor der Zürcher Oberland Medien AG und Leiter Desk Uster.

Veröffentlicht am: 19.05.2019 – 20.30 Uhr

Es ist ein Volksentscheid gegen den vermeintlichen Trend: Print statt digital, Zeitung statt Internet. Die Ustermer wollen am «Anzeiger von Uster» als amtliches Publikationsorgan festhalten und wollen nichts von jener Publikationspolitik wissen, die Stadt- und Gemeinderat für die Zukunft vorgesehen haben.

Im politischen Uster werden Erinnerungen wach: Wie bei der Abstimmung über die Waldinitiative vor gut einem Jahr triumphieren in der drittgrössten Stadt des Kantons vermeintliche Polit-Underdogs über das lokalpolitische «Establishment». Damals waren es die Grünen, die sich an der Urne gegen alle anderen etablierten Ustermer Parteien und den Stadtrat durchsetzten. Diesmal ist es der (von den Grünen unterstützte) Seniorenrat, der mit einem erfolgreichen Referendum eine deutliche Mehrheit des Gemeinderats sowie den Stadtrat in die Schranken weist. Und damals wie heute müssen sich die Verlierer den Vorwurf gefallen lassen, im Abstimmungskampf zu wenig präsent gewesen zu sein und das Feld ihren Gegnern überlassen zu haben.

Es ging um's grosse Ganze

Allerdings: War die Annahme der Waldinitiative im letzten Frühling eine echte Überraschung, war das Scheitern der «Amtlichen»-Vorlage nun ein Stück weit voraussehbar. Dass im letzten Herbst innert zweieinhalb Wochen 1855 Personen das Referendum unterzeichneten, liess ein erstes Mal aufhorchen. Das Thema schien vielen Ustermern unter den Nägeln zu brennen.

Und die Gegner der neuen Publikationspolitik, allen voran der Ustermer Seniorenrat, vertraten ihren Standpunkt engagiert. Von Anfang an ging es ihnen nicht einfach nur um eine gewöhnliche lokalpolitische Vorlage, sondern um das grosse Ganze: So stand nicht einfach nur die Frage nach dem naheliegendsten Publikationskanal der Gegenwart zur Debatte, der eigentlich nur das Internet sein kann. Nein, es ging um die politische Teilhabe einer ganzen Bevölkerungsgruppe, um die Gefahren der Digitalisierung, um das Zeitungssterben.

Ein Zeichen

Weshalb es dem Seniorenrat letztlich gelang, auch zahlreiche Nichtsenioren und jüngere Stimmbürger auf seine Seite zu ziehen, darüber kann nur spekuliert werden. Die Haltung, wonach die behördlichen Informationen eine «Bringschuld» seitens der städtischen Stellen bleiben sollen, dürfte ebenso eine Rolle gespielt haben, wie das Argument, wonach die Vorlage ein paar Jahre zu früh aufs Tapet kam.

Eher von untergeordneter Bedeutung dürfte demgegenüber die Befürchtung des Seniorenrats gewesen sein, wonach der unabhängige und kritische Journalismus in Uster leiden könnte, wenn man dem «Anzeiger von Uster» die Einnahmen durch die «Amtlichen» entziehe. Und dennoch: Mit dem Abstimmungsresultat vom Sonntag sendet Uster jenes Zeichen aus, um welches es dem Seniorenrat mit seinem Referendum ebenfalls ging: Das Votum gegen die neue Publikationspolitik ist zumindest auf symbolischer Ebene auch ein Votum gegen das Zeitungssterben und für die Vielfalt im Blätterwald.


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