Wer einen Migrationshintergrund hat oder aus sozial benachteiligten Schichten stammt, hat es an den Schweizer Schulen nach wie vor schwer. Das machte vor ein paar Tagen eine neue Publikation des Schweizerischen Wissenschaftsrats (SWR) deutlich, der als Beratungsorgan des Bundesrates fungiert. Sie zeigt auf, dass Kinder von bildungsfernen Eltern ihr Potenzial nicht ausschöpfen können und nicht dort landen, wo sie eigentlich sollten: an einer Berufsmaturitätsschule, einer Fachmaturitätsschule oder am Gymi.
Akademikerkinder haben es da einfacher: Sie haben eine sieben Mal höhere Chance, die gymnasiale Maturität zu erwerben, als Kinder von geringer gebildeten Eltern. Das mag praktisch sein für die privilegierte Oberschicht, denn die Angst vor dem sozialen Abstieg ist gross. In der Regel sehen Akademiker ihre Sprösslinge denn auch lieber im Gymnasium als in einer Lehre. Die meisten schicken ihre Kinder darum in teure Prüfungsvorbereitungskurse, die sich längst nicht alle leisten können. Und nehmen so in Kauf, dass ihre Kinder den weniger privilegierten den Platz im Gymi wegnehmen.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist in Gefahr
Dass die heutigen Verhältnisse den gut situierten Bevölkerungsgruppen nützen, sehen auch die Autoren der Studie so. Ihrer Ansicht nach schadet die Ungleichheit der Bildungschancen aber der Allgemeinheit und der Entwicklung des Landes, nicht zuletzt, weil sie den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet.
Dass die Privilegierten einfacher Wege finden, ihren Platz in der Gesellschaft zu verteidigen, ist wohl nur ein Aspekt einer vielschichtigen Problematik. Und doch erklärt dieser vielleicht zum Teil das zögerliche Verhalten der Politik. Diese nehme das Thema nicht genug ernst, kritisieren denn auch die Autoren der Studie. Dabei sei eine umfassende Modernisierung des Bildungssystems dringend notwendig.
Um die Chancengleichheit zu verbessern, empfiehlt der Rat verschiedene Massnahmen.
Spätere Selektion fördert Chancengleichheit
Zu ihnen gehört etwa die strategische Unterstützung der frühkindlichen Förderung, eine gezielte Sprachförderung und eine spätere erste Selektion zu Beginn des neunten Schuljahres. Heute erfolgt diese am Ende der Primarstufe: Die Schüler werden Schultypen und Niveaus mit unterschiedlichen Lehrplänen und Ansprüchen zugeteilt. Ein späterer Selektionszeitpunkt, so die Studienautoren, würde die Chancengleichheit für alle Schüler verbessern, weil diese die Gelegenheit bekämen, ihre Defizite noch aufzuholen.
Ob sich die Politik für richtungsändernde Entscheidungen begeistern lässt oder nicht, wird sich zeigen. Tut sie es nicht, müsste man sich fairerweise von der Vorstellung verabschieden, dass es jeder im Leben zu etwas bringen kann, wenn er sich nur genug anstrengt. Im Moment hängen Erwerbs- und Lebenschancen nämlich oft von der Dicke des Portemonnaies im Hosensack der Eltern ab.
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