Wer ausser den Betrügern kann ein Interesse daran haben, dass Missbräuche bei den Sozialversicherungen nicht aufgedeckt werden? Eigentlich niemand. Und doch wird die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen für die Überwachung von verdächtigen Versicherten, über die am 25. November abgestimmt wird, bekämpft, allerdings mit untauglichen Argumenten.
Keine Willkür
Da wird von den Gegnern der Vorlage doch keck behauptet, alle Versicherten seien von solchen Überwachungen betroffen und stünden unter Generalverdacht. Das ist komplett falsch. Observationen dürfen nämlich nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen unrechtmässigen Bezug von Versicherungsleistungen vorliegen. Und angeordnet werden dürfen sie nur von einem Direktor einer Versicherung.
Dazu kommt noch, dass der Sachverhalt nicht auch mit anderen Mitteln wie Arztberichten geklärt werden könnte. Oder anders gesagt: Wer keine zweifelhaften Angaben gemacht hat, auf denen Versicherungsbezüge beruhen, wird auch nie ins Blickfeld von Sozialdetektiven geraten.
Nur wenige Observationen
Mit dem neuen Gesetz werden im Übrigen nicht die Überwachungsmöglichkeiten ausgebaut, wie das teilweise kolportiert wird, sondern vor allem geregelt. Auslöser für das Gesetz ist denn ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Herbst 2016 gewesen, in welchem in einem Fall der Unfallversicherung das Fehlen von detaillierten gesetzlichen Grundlagen für Observationen kritisiert wurde. In der Folge wurden die bis dahin schon praktizierten Überwachungen bis heute ausgesetzt.
Um nochmals bezüglich « Generalverdacht » nachzusetzen: Bis 2016 kam lediglich in rund 2000 Fällen jährlich bei der IV der Verdacht auf Versicherungsmissbrauch auf und dieser wurde abgeklärt, bei gerademal jedem zehnten dieser 2000 Fälle kam es zu einer Observation. Bei der Suva waren es in diesem Zeitraum rund 400 Verdachtsfälle pro Jahr und davon wurden nur etwa drei Prozent im Rahmen einer Überwachung unter die Lupe genommen.
Und dass bei diesen Fällen die Skepsis angebracht war, zeigt das Resultat: In Zweidrittel bis Dreiviertel der Fälle bestätigte sich der Verdacht auf Versicherungsmissbrauch. Die Versicherungen konnten damit jährlich viele Millionen sparen. Geld, das sonst die Versicherten bezahlen müssten. Nicht die Versicherungen „profitieren“ von diesen Einsparungen, sondern wir alle.
Eingeschränkte Kompetenzen
Geradezu abstrus ist die Behauptung der Gegner des neuen Gesetzes, dass Versicherungsdetektive mehr Möglichkeiten hätten als die Polizei und der Nachrichtendienst. Einzig Bild- und Tonaufnahmen an frei zugänglichen Orten ist allen drei erlaubt. Mit richterlicher Genehmigung möglich ist noch eine Ortung mit GPS-Trackern. Den Sozialversicherungsdetektiven verboten ist dagegen die Überwachung von Telefon, Handy-, Mail- und Internetanschluss, der Einsatz von Richtmikrofonen, Wanzen oder Drohnen oder das Beobachten im Innern eines Privathauses – alles Einsätze, die Polizei und Nachrichtendienst mit richterlicher Genehmigung gestattet sind. Jeder Kontrolleur oder Ladensicherheitsdienst hat grössere Befugnisse als ein solcher Sozialdetektiv.
Von einem Angriff auf die Grundrechte, wie dies ebenfalls zu hören ist, kann keine Rede sein. Zwar kann jemand sich in seiner Privatsphäre beeinträchtigt fühlen, wenn er dabei beobachtet wird, wie er sich hinter das Steuer eines Autos setzt. Wenn aber dadurch bewiesen werden kann, dass er trotz seines angeblich kaum mehr bewegungsfähigen Armes locker das Lenkrad drehen kann: Ist da nun das ungute Gefühl des Beobachteten oder der aufgedeckte Missbrauch höher zu gewichten? Kommt hinzu, dass jeder, der observiert worden ist, darüber informiert wird. Er hat dann die Möglichkeit vor Gericht zu gehen. Dieses beurteilt, ob die Observation rechtmässig war.
Gesetzliche Grundlage für bewährte Praxis
Richtig ist einzig die Feststellung des Referendumskomitees, dass Sozialversicherungsbetrug schon heute strafbar ist. Doch deswegen kümmert sich die Polizei noch nicht um die Überprüfung von Versicherungsleistungen. Darum müssen sich die Versicherungen schon selbst kümmern. Diese Vorlage schafft nur die gesetzliche Grundlage für eine bewährte Praxis. Versicherungsmissbrauch ohne Ahndung schadet dem Ruf der ehrlichen Versicherten. Wird nichts getan, werden betrügerische Machenschaften geschützt. Mit einem Ja zur Vorlage wird das verhindert.
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