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Celine Geser in ihrem noch kalten Atelier im Grüt. Celine Geser

Plötzlich erfolgreich

Celine Geser aus dem Grüt hat das zweitbestverkaufte Schweizer Buch des letzten Jahres gezeichnet - ein Wimmelbuch. Der plötzliche Erfolg bedeutet ihr nicht viel, das Buch findet sie toll, aber sie will sich bloss nicht darauf reduzieren lassen.

Celine Geser in ihrem noch kalten Atelier im Grüt. Celine Geser

Veröffentlicht am: 22.03.2019 – 12.00 Uhr

Zu bunt. Zu verschnörkelt. Zu herzig. Die Gossauer Illustratorin Celine Geser musste sich zu ihrer Kunst schon einiges anhören. Sie zuckt mit den Schultern. « Bunt, verschnörkelt und herzig ist nun mal meine Handschrift. » Immerhin hat dieser Stil ihr schon viele Aufträge gebracht.

Zuletzt einen äusserst prestigeträchtigen: Celine Geser illustrierte ein personalisierbares Wimmelbuch des Kleinverlags Librio, das auf den letzten Advent hin in die Bücherläden kam und innert sechs Wochen zum  zweit bestverkauften Schweizer Buch des Jahres 2018 wurde. 12‘000 Exemplare gingen bis Ende 2018 über den Ladentisch – und der Verkauf läuft weiterhin auf Hochtouren.

Geser hatte zuvor sieben Monate lang an den Zeichnungen dazu gearbeitet. Knapp  zwei  Jahr e  davor war sie nach fünfjährigem Aufenthalt in Ecuador in die Schweiz zurückgekehrt und hatte sich selbstständig gemacht – mit der Hoffnung, dass sie sich irgendwie durchsetzen oder zumindest über Wasser halten können würde. « Jetzt bin ich plötzlich bekannt. » Sie sagt das beiläufig. Der Umstand ist für sie nicht wirklich von Bedeutung.

Das Bauchgefühl

Natürlich sei sie froh, dass dieses Buch ihr für eine Zeit die Existenz sichert und ihr vielleicht gar neue Aufträge generiert. Aber erstrebenswert findet sie Bekanntheit nicht. Das grosse Geld schaut für den Erfolg ohnehin nicht heraus. Sie stecke momentan in Verhandlung mit dem Verlag, wie viel sie pro verkauftes Buch erhält. Da ein Buchprojekt wie dieses bislang nicht existierte, kann sie auch nicht auf Vergleichswerte zurückgreifen. «Ich muss wohl einfach nach Bauchgefühl einen Tarif festsetzen » , sagt sie – und es klingt wieder so beiläufig.

Sich um Administratives zu kümmern, ist ihr ein Graus. « Ich will zeichnen, ich will Kunst machen. Das ist mir wichtig. » Und das kann sie. Sie habe einen Traumjob, sagt sie. Doch der ist stets eine Gratwanderung. Und Grate gibt es viele. Etwa diesen: Das Zeichnen ist eine einsame Tätigkeit. Das stört Celine Geser nicht sonderlich.  « Aber Gesellschaft brauche ich eben doch. » Um diesen Ausgleich zu erhalten, arbeitet sie seit einigen Monaten die Hälfte der Woche in einem Co-Working-Space in Zürich, wo andere Einzelkämpfer aus der Grafik- und Filmbranche ihren Alltag verbringen. « Das ist schön, da dort ein Austausch stattfindet, der uns alle vorwärts bringt. » Aber nur so arbeiten könnte sie nicht. « Ich bin ein Landmensch. Die Stadt wird mir rasch zu viel. Ich brauche Ruhe. » Sie hat deshalb im Bauernhaus im Grüt, das sie mit ihrer Zwillingsschwester, deren Partner und einer Kollegin als Wohngemeinschaft nutzt, ein kleines Atelier eingerichtet.

Dieses Haus. Es ist für Celine Geser etwas Besonderes.  Ihre Schwester hat es zusammen mit deren Partner gekauft, Celine lebt  hier seit letztem Sommer. Wenn sie Gäste empfängt, führt sie sofort durch die Räume und erzählt Geschichten. Wie ihre Schwester die Pferde hergeholt hat, wie die beiden mit Freunden das Wohnzimmer umgebaut haben, welche Pläne sie im Garten schmieden oder dass ihr Atelier in einem engen Dachkämmerchen liegt und sie dieses nun in  ein grösserer   Zimmer zügeln will.

Das kalte Atelier

Eingerichtet hat sie sich dort schon ein bisschen. Scheint die Sonne, so strahlt sie Celine Geser über die Schultern auf die Zeichenarbeiten. Scheint sie nicht, ist es bitterkalt im Frühjahr. Und die Steckdose ist tot. « Es gibt also noch zu tun. » Sie blickt aus dem Fenster. « Im Sommer dann habe ich hier aber ein perfektes Atelier. »

Auf der Tischfläche vor sich legt sie ein paar Bücher aus. Darunter auch das bekannte Wimmelbuch, das auf sie selbst personalisiert ist. « Wo ist Celine? » heisst es; ein Mädchen mit heller Haut, braunem langem Haar und einer Mütze ziert den Umschlag. « Ich will in den nächsten Monaten die Kleider- und Frisurenpalette erweitern, die zur Auswahl steht. Sonst wählen alle Schweizer Mädchen dieselbe Frisur und dieselben Kleider für ihren Avatar. » Das ist der Haken an der Personalisierbarkeit. Jede Zeichnung muss in etlichen Varianten zur Verfügung stehen. Im Internet lassen sich die Elemente dann vom Käufer zusammenführen.

Ein klassisches Bilderbuch für Kinder, das vor ihr liegt, ist schon etwas älter. « Mir gefällt es nicht mehr. Ich habe mich weiterentwickelt » , sagt Celine Geser. Das passiere ihr oft. Fast immer, eigentlich. « Wenn ich ein Bild fertig habe, ist es gut. Aber schon ein paar Wochen später kann ich es kaum noch anschauen. » Das liege wohl in der Natur der Sache. « Ich will mich  ja  entwickeln. Seit ich 15 bin zeichne ich jeden Tag. » Heute ist sie 28. « Da verbessert man sich automatisch. »

Die Suche nach dem eigenen Stil

Das Ziel eines jeden Zeichners ist das Finden des eigenen Stils. Das sagt die Grütnerin zumindest. Sie hat jedoch nicht das Gefühl, da schon angekommen zu sein. « Ich glaube auch nicht, dass ich das jemals sein werde. Aber ich nähere mich meinem Stil an. Ich bin viel weiter als noch vor einem Jahr. »

Und damit beantwortet sie auch die Frage, ob Talent oder Arbeit wichtiger ist für ihre Art der Kunst. « Arbeit. Ganz klar » , sagt sie. « Jeder kann das lernen. » Oder auch nicht. Sie überlegt erneut. « Nun ja, man benötigt bildliche Vorstellungskraft. Ich habe schon ein sehr visuelles Gedächtnis. Das ist sicher eine Voraussetzung. » Vor allem aber brauche man Durchhaltewillen. Und den hat sie.

Das Skizzieren ihrer Bilder ist der Teil, der ihr den geringsten Spass bereitet. Im Ausgestalten und Kolorieren der Bilder liegt für sie die wahre Kreativität – und das nimmt Zeit in Anspruch. « An eine r  fertigen Wimmelbild- A3-Seite  habe ich sicher 15 Stunden » , sagt sie. Die Skizze ist indes schnell erstellt. 

Inspiration dank Meditation

Zweifellos hat dieser langatmige Arbeitsschritt etwas Meditatives für sie. Und Meditation – also richtige, nicht jene während des Gestaltens – ist für sie eine wichtige Quelle der Inspiration. Celine Geser meditiert regelmässig morgens und gewinnt dabei Bilder in ihrem Kopf.  « Sie entstehen plötzlich und müssen dann raus. » Solche Bilder dienen zwar dem Geschäft nicht. Aber sie seien ihr genauso wichtig.  « Ich brauche regelmässige Zeitfenster, um einfach für mich selber zeichnen zu können. »

Diese Balance zwischen privater und gewerblicher Kunst ist ein weiterer Grat in ihrem Leben. Vor allem jetzt, da sie gleich drei Grossprojekte parallel verfolgt. Zum einen steht die  Fortsetzung  des erfolgreichen Wimmelbuchs an, aber auch ein neues Wimmelbuch für die Tourismusregion Thun und schliesslich hat sie den Auftrag erhalten, ein Malbuch für die Kantonspolizei Zürich zu entwerfen.

Bis im Sommer muss alles fertig sein. « Aber ich bin schon recht weit » , sagt sie und blättert durch die Skizzen. « Ich werde auch immer schneller. Das Wimmelbuchprojekt gab mir Routine. » Sie dreht das Buch in der Hand, dann legt sie es beiseite. « Ein wahnsinnig tolles Projekt. Aber ganz ehrlich: Ich will jetzt nicht nur noch Wimmelbücher zeichnen. Ich habe noch auf so viel anderes Lust. »


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