nach oben

Anzeige

Groteske Schminke und neckische Teufelshörnchen: Mayhem-Sänger Attila Csihar. Gorka Photography

So teuflisch rockten die norwegischen Metal-Monster

Der Auftritt der Black-Metal-Band Mayhem in Wetzikon hatte im Vorfeld zu einer politischen Diskussion geführt. Davon war vor Ort nichts zu spüren, dafür umso mehr von der musikalischen Klasse der Band.

Groteske Schminke und neckische Teufelshörnchen: Mayhem-Sänger Attila Csihar. Gorka Photography

Veröffentlicht am: 21.11.2019 – 14.31 Uhr

Zum Schluss landen wir in der archaischen Vorzeit. Als Zugabe spielen Mayhem eine Reihe von Songs, die vor 1987 entstanden, zu einer Zeit, als es Black Metal in der heutigen Form noch gar nicht gab. Diese Songs klingen ungemein roh und simpel, eher wie eine sehr schlecht gelaunte Form von Punk.

Damals kursierten die Aufnahmen per Briefversand im Untergrund, auf Demos, deren Soundqualität so miserabel war, dass man die Songs kaum erkennen konnte. Live kommen sie heute zugänglicher daher, doch ihre brachiale Wucht ist ungebrochen. Dass eine Band 35 Jahre nach ihrer Gründung noch so frisch und wild klingt, ist ihr hoch anzurechnen.

Forderte Juso die Konzertabsage zu Recht?

Musikalisch war das, was man da am Mittwochabend in der «Hall of Fame» in Wetzikon zu sehen und hören bekam, also von höchster Qualität. Doch darum ging es der Juso Zürich Oberland nicht, als sie vor zwei Wochen in einem offenen Brief an die Veranstalter politische Bedenken geäussert hatte. Im Brief zitierte die Juso rassistische Aussagen von Mayhem-Schlagzeuger Jan Axel Blomberg – und forderte die Absage des Konzerts. Zu Recht?

Es ist verständlich, dass die Jusos beim Black Metal genau hinschauen. Dass die Szene ein Problem mit ihrem rechten Rand hat, lässt sich nicht leugnen; etwa in Osteuropa oder Finnland gibt es heute ganze Netzwerke rechtsextremer Bands. Mit gewissen Äusserungen und Provokationen tragen auch Musiker von norwegischen Bands, die Anfang der 90er Jahre stilprägend für das Genre waren, eine Mitschuld an diesem Problem. Doch um dieses zu lösen, ist eine Band wie Mayhem das falsche Ziel.

Was Blomberg für politische Ansichten hat, ist schwer zu sagen. Fest steht, dass sich in den Texten und in der Aufmachung der Band keine problematischen politischen Inhalte finden. Überhaupt geht es bei dieser Band nicht um Politik, ihre Songs drehen sich um Satanismus, Krieg oder den Tod.

Allerdings haben Musiker wie Blomberg immer wieder versucht, mit möglichst menschenverachtenden Aussagen gefährlich zu wirken. Manchmal kamen dabei Aussagen heraus, die tatsächlich erschreckend klingen, wenn man sie zu ernst nimmt.

Nicht nur eine Pose

Allerdings umgibt gerade Mayhem eine Aura von Tod und Gewalt, die nicht nur eine Pose ist. 1991 erschoss sich ihr damalige Sänger Per Yngve Ohlin, 1993 wurde ihr Gitarrist Øystein Aarseth von seinem ehemaligen Bandkollegen Varg Vikernes brutal erstochen. Die Band hat diese Geschichte auch genutzt, um ihr anrüchiges Image zu pflegen, doch mit der Realität hat dieses heute nichts mehr zu tun.

Was man ob all der Mythen und Kontroversen manchmal vergisst: Mayhem haben über all die Jahre konstant interessante Musik gemacht und ihren Stil immer wieder gewandelt. Zuletzt erschien das starke Album «Daemon», auf dem Mayhem die mechanische Kälte des Vorgängers «Esoteric Warfare» von 2014 hinter sich lassen und sich wieder griffiger und rhythmisch verspielter geben.

Doch Mayhem sind vor allem auch eine tolle Liveband. Und dazu trägt besagter Schlagzeuger, der sich als Musiker Hellhammer nennt – benannt nach der 1982 gegründeten Schweizer Pionierband –, viel bei. Während die beiden Gitarristen mit rasend schnellen Anschlägen Schichten von Sound übereinanderlegen, verleiht Hellhammer vielen Songs mit seinem eigenwilligen, musikalischen Spiel eine geradezu räumliche Tiefe.

Es ist, als würde er damit einen Raum schaffen für Attila Csihar, den kongenialen ungarischen Sänger, der an diesem Abend mit rotem Umhang, grotesker Schminke und neckischen Teufelshörnchen auftritt.

Seltene Facetten

Wer behauptet, der Gesang im Black Metal sei nur ein wüstes Gekreische, hat natürlich ein Stück weit recht – aber vermutlich auch noch nie diesem Attila Csihar genau zugehört. Die Facetten seiner Stimme sind im Metal selten: von einem tiefen, vibrierenden Knurren über rituellen Obertongesang bis zu einem opernhaften Heulen. Mit Gaahl, dem Sänger der Vorband Gaahls Wyrd, war am Mittwoch gleich noch ein Meister dieser Disziplin zu hören.

Abgesehen von der Musik ist der Abend in der «Hall of Fame» unspektakulär. In der gut gefüllten Halle findet sich ein Publikum ein, wie man es an irgendeinem Metalkonzert antreffen könnte; rechtsextreme Gesinnungen werden nirgends zur Schau gestellt. Ärgerlich ist höchstens die mässige bis miese Soundqualität, und auch die Rockerbar-Atmosphäre wird der feierlichen Dimension dieser Musik nicht gerecht. Doch Mayhem klingen auch gut, wenn es mal ein bisschen mehr rumpelt. (David Hunziker*)

*Der Autor ist Journalist der Wochenzeitung WOZ und hat sich intensiv mit rechtsradikalen Strömungen in der Metal-Szene auseinandersegetzt.


Dieser Artikel wurde automatisch aus unseren alten Redaktionssystemen auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: servicedesk@zol.ch

Kommentar schreiben

Bitte geben Sie ein Kommentar ein.

Wir veröffentlichen Ihren Kommentar mit Ihrem Vor- und Nachnamen.
* Pflichtfeld

Anzeige

Anzeige