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Stoppt die Littering-Bünzlis!

Veröffentlicht am: 10.07.2019 – 10.24 Uhr

Das Thema Littering ist hochemotional. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Klick-Orgien, die Artikel über Abfallsünder, Plastik auf Badewiesen oder Fötzel auf Spielplätzen regelmässig nach sich ziehen. In den Kommentarspalten dominieren Empörung und Unverständnis. «Wer tut so etwas?!», wird gefragt. Oder: «Wie sieht es bei diesen Leuten wohl zu Hause aus?!»

Ich begebe mich also auf ein Minenfeld, wenn ich mich hier nicht am «Tatbestand» Littering an sich sondern vielmehr am selbstgerechten Zorn der Littering-Bünzlis und den kleinkarrierten Anti-Littering-Kampagnen abarbeite. Bevor Sie mir wegen diesem Blog-Beitrag zuhause auflauern oder mich mit wüsten Hassmails eindecken, erlaube ich mir deshalb folgenden Hinweis: Ich habe jüngst am Züri-Fäscht eine leere Pet-Flasche in der Handtasche einer Kollegin zwischengelagert und durch die halbe Stadt tragen lassen, um sie fachgerecht entsorgen zu können. Ich tauge also kaum als Feindbild für die Littering-Polizei.

Aber: Trotz vorhandenem Umweltbewusstsein gehen mir diese Anti-Littering-Kampagnen, die in Uster und anderswo in der Schweiz schrill und mit viel Pseudo-Originalität geführt werden, gewaltig auf den Sack. Zum einen, weil ich mit Erziehung per Plakatbotschaften generell Mühe habe. Historisch vorbelastete Beispiele gibt es genug, man denke nur an das bekannte Bild des Vodka-Verweigerers in der Sowjetunion der 1960er Jahre, mit dem der Homo Sovieticus zum regimegefälligen, sprich nüchternen Verhalten angehalten werden sollte.

Doch musste man damals immerhin für den Kalten Krieg die Kräfte bündeln, fehlt den Anti-Littering-Plakaten von heute völlig die Verbindung zu den grossen Themen der Gegenwart. Es geht bei diesen Kampagnen eben nicht primär um die drängenden Umweltthemen von heute, um von Plastik bedrohte Tierarten, um den Schutz der Weltmeere, um unbequeme Fragen, denen sich die Gesellschaft als Ganzes und der Einzelne zwingend annehmen sollten – und die vom Individuum ein wenig mehr abverlangen würden, als das Aufsammeln der Cervelat-Verpackung an der Grillstelle.

Nein, es geht um den gutschweizerischen Reinlichkeitsanspruch. Der öffentliche Raum soll gefälligst so sauber und gepützelt aussehen, wie der eigene Vorgarten. «Was im Schlafzimmer stört, stört auch in der Gondel», heisst es zum Beispiel auf einem der marktschreierischen Anti-Littering-Plakate. Dass es auf dieser Welt Orte gibt, wo nicht einfach nur ein Ovo-Sport-Papierli in einer Ski-Gondel stört, sondern wo teils ganze Dörfer unter Müllhalden verschwinden (die wir in den Industrieländern kräftig mitverursacht haben), hat sich kaum je auf Plakaten oder in Kommentarspalten niedergeschlagen. Das ist entlarvend, wenn auch nicht überraschend. Denn der Sauberkeitsanspruch der Littering-Polizisten geht geographisch kaum über Garten, Gondel und Grillstelle hinaus.

Benjamin Rothschild beschäftigt sich tagtäglich mit Regionalpolitik und glaubt, dass sich in dieser immer wieder die grosse Politik spiegelt – und umgekehrt. Und wenn die Ebenen mal überhaupt nichts miteinander zu tun haben sollten, kann man ja trotzdem darüber schreiben.


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