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Mehr Oberland für Ueli Maurer!

Veröffentlicht am: 22.05.2019 – 08.58 Uhr

Ueli Maurer sei Dank: Hinwil und das Zürcher Oberland waren wieder einmal auf der ganz grossen politischen Bühne präsent. Der Besuch im Weissen Haus inklusive bizarrem Eintrag ins Gästebuch, der unfreiwillig komische Auftritt des «Swiss President» auf CNN – der SVP-Bundesrat lieferte Satirikern aus aller Welt unfreiwillig eine Füllmenge an Material.

Bei all den Debatten beziehungsweise Witzen über holprige Englischkenntnisse und unbeholfene Gänge über das weltpolitische Parkett trat die Diskussion über die Inhalte von Maurers Äusserungen in den Hintergrund. Dabei gebührt diesen ein besonderes Augenmerk.

So bezeichnete der Bundespräsident aus Hinwil Donald Trump als «sehr offen und konstruktiv». Dies sind zumindest gewagte Zuschreibungen. Denn die Sache mit der Offenheit passt irgendwie nicht so recht zu diesem US-Präsidenten, der Haiti und Teile Afrikas einst «shithole countries» (Dreckslöcher) genannt haben soll und der bekanntlich eine mehrere tausend Kilometer lange Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen will. Um diese Mauer zu ertrotzen, trug Trump übrigens massgeblich zur Lahmlegung des US-Kongresses bei – was die amerikanische Wirtschaft etwa sechs Milliarden Dollar kostete. Ob Ueli Maurer eine solche Vorgehensweise für «konstruktiv» hält?

Nun ist es denkbar, dass die Person Donald Trump auf Ueli Maurer einen gänzlich anderen Eindruck machte, als der Politiker Trump auf breite Teile der Öffentlichkeit. Allerdings: Fragwürdige aussenpolitische Einschätzungen haben bei Ueli Maurer mittlerweile so etwas wie Tradition.

Der «Tropen-Trump» und die Diskriminierung

Als Maurer 2013 als erstes westliches Staatsoberhaupt in China Panzertruppen besuchte und von Journalisten auf das Tian'anmen-Massaker von 1989 (je nach Quelle ist von mehreren hunderten oder mehreren tausend Toten die Rede) angesprochen wurde, meinte er, dass man «unter die Geschichte längst einen Strich ziehen» könne.

Und als Maurer bei einem Treffen mit dem saudischen Finanzminister im Januar nach dem von saudischen Agenten ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi gefragt wurde, bezeichnete er den Fall als «schon lange abgehandelt». Später sagte Maurer, er sei falsch verstanden worden.

Immerhin: Im Zusammenhang mit dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro – mitunter auch als «Tropen-Trump» bezeichnet –  sprach Maurer von «Diskriminierungen». Damit meinte er allerdings nicht Bolsonaros Ausfälle gegenüber Minderheiten (dieser sagte einst nach einem Besuch einer traditionellen Schwarzen-Siedlung, dass deren Bewohner noch nicht einmal zur Fortpflanzung taugten). Nein, er meinte die Medien, die ebendiesen Bolsonaro zu Unrecht «diskriminieren» würden.

Gossau statt Washington

Vielleicht ist politisches Kalkül der Grund dafür, dass Ueli Maurer regelmässig ins aussenpolitische Fettnäpfchen tritt. Vielleicht ist es aber auch sein Wertekompass, der bei all den Auftritten auf der grossen Bühne Schaden genommen hat.

Womöglich würde dieser Kompass wieder gerichtet, wenn sich der Bundespräsident vermehrt in seiner Heimatregion aufhalten würde. Hier werden regelmässig lebhafte politische Debatten geführt. Die demokratische Kultur ist intakt und von duckmäuserischem Verhalten gegenüber Autoritäten hält man nicht allzu viel, wie man zuletzt bei den Protesten gegen die Gossauer Deponie oder die Ustermer Publikationspolitik spürte. Die Oberländer Polit-Atmosphäre – sie würde Ueli Maurer nach den Ausflügen in die Pekinger, Washingtoner oder Davoser Höhenluft allenfalls gut bekommen.

Benjamin Rothschild beschäftigt sich tagtäglich mit Regionalpolitik und glaubt, dass sich in dieser immer wieder die grosse Politik spiegelt – und umgekehrt. Und wenn die Ebenen mal überhaupt nichts miteinander zu tun haben sollten, kann man ja trotzdem darüber schreiben


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