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Pfarrerin Silvia Trüssel findet, dass Sex immer noch ein Tabuthema ist. (Foto: Nathalie Guinand), «Wenn man von einer Sexualmoral spricht, ist diese häufig von der katholischen Kirche oder von Freikirchen geprägt.» (Foto: Nathalie Guinand), «Das Bild, das man von der Kirche hat, wurde vor Jahrzehnten geprägt. In vielen Dingen trifft das heute aber nicht mehr zu.» (Foto: Nathalie Guinand)

«Sex ist in Beziehungen oft ein Tabuthema»

Sex sei nach wie vor in vielen Beziehungen ein Tabuthema, sagt Pfarrerin Silvia Trüssel. Sie plädiert dafür, dass Thema auch für Gläubige zu enttabuisieren.

Pfarrerin Silvia Trüssel findet, dass Sex immer noch ein Tabuthema ist. (Foto: Nathalie Guinand), «Wenn man von einer Sexualmoral spricht, ist diese häufig von der katholischen Kirche oder von Freikirchen geprägt.» (Foto: Nathalie Guinand), «Das Bild, das man von der Kirche hat, wurde vor Jahrzehnten geprägt. In vielen Dingen trifft das heute aber nicht mehr zu.» (Foto: Nathalie Guinand)

Veröffentlicht am: 12.01.2018 – 14.28 Uhr

In einer mehrteiligen Serie beschäftigt sich die reformierte Kirche Uster mit dem Thema «Beziehungen». Kommenden Dienstag spricht die Sexologin Veronika Schmidt in der Stadtbibliothek Uster darüber, was guter Sex ist und wie man die Lust im Alltag aufrecht erhalten kann. Die Lesung wird von der reformierten Kirche organisiert und von der Ustermer Pfarrerin Silvia Trüssel moderiert. Im Gespräch sagt sie, weshalb auch Gläubige über Sex reden sollten.   Werden Sie als Seelsorgerin häufig auf das Thema Sex angesprochen? Silvia Trüssel: Nein, eigentlich gar nicht. In den Gesprächen kommen regelmässig Beziehungsprobleme zur Sprache, wobei ich spüre, dass da unter Umständen Sex ein Teilbereich sein könnte. Sofern die betroffene Person das aber nicht explizit macht, hake ich nicht nach. Es ist ein intimes Thema und darf es auch bleiben. So genau will ich das ja auch nicht wissen.   Finden Sie, dass Sex zu stark tabuisiert wird? Ja, wenn auch nicht generell. Ich glaube aber, dass es häufig in Beziehungen zu einem Tabuthema werden kann. Wenn man beispielsweise nicht weiss, wie man miteinander über Fantasien oder Träume sprechen soll. Es ist nicht immer einfach, sich zu finden und zu verhindern, dass man Klischees verfällt: Etwa, dass der Mann immer und möglichst schnell will, oder dass die Frau zuerst fünf Stunden kuscheln möchte. Den eigenen Wünschen nachzugehen, ist in Beziehungen teilweise fast schon ein Tabu.   Besonders bei gläubigen Menschen? Auch sonst. Ich glaube, darüber offen zu sprechen fällt vielen schwer, unabhängig vom Glauben. Besonders, wenn in einer Beziehung die Routine und der Alltag einkehrt, oder wenn Kinder da sind. Mit Veronika Schmidt habe ich auf jeden Fall bewusst eine Sexologin mit christlichem Hintergrund eingeladen, die auf die Bedeutung von Sex für Gläubige sensibilisiert ist.   Veronika Schmidt stellt ihr Buch «Alltagslust» vor. Was erhoffen Sie sich von der Lesung? Die Idee dahinter ist, zu signalisieren, dass Sex ein Thema sein darf. Das Buch nimmt einem die Angst, dass man nicht verstanden werden könnte. Und es räumt mit Klischees auf. Schmidt versucht auch, Verständnis zu schaffen und erklärt, welche Bedeutung Sex für den Mann und die Frau haben kann. Sie beschreibt etwa, dass Männer häufig durch Sexualität Nähe finden, Frauen dagegen durch verschiedene Formen. Diese individuellen Bedürfnisse des Partners sollte man sich in einer Beziehung vergegenwärtigen.   Wer glauben Sie hat in einer Beziehung mehr Mühe das Sexleben zu thematisieren? Das sind wohl Mann und Frau im gleichen Mass. Wenn auch aus verschiedenen Gründen. Immer im Gespräch darüber zu bleiben, ist aber wichtig. So ändert sich zum Beispiel die Sexualität im Alter. Irgendwann ist körperlich nicht mehr das gleiche möglich, wie in jungen Jahren. Dann muss man gemeinsam neue Formen finden.   Halten Sie den Umgang der reformierten Kirche mit Sexualität für überholt? Nein. Wenn man von einer Sexualmoral spricht, ist diese häufig von der katholischen Kirche oder von Freikirchen geprägt. Ich würde aber sagen, dass man mit der reformierten Kirche keinen bestimmten Umgang in Bezug auf das Thema verbindet. Das Verhältnis Sex und Kirche ist grundsätzlich eher schwierig. Offenheit diesbezüglich zu zeigen, ist aber sicher richtig.  

  Das heisst, Sex wird heute weniger moralisiert? Das Bild, das man von der Kirche hat, wurde teilweise vor Jahrzehnten geprägt. In vielen Dingen trifft das heute aber nicht mehr zu. Zumindest, was die reformierte Kirche Uster betrifft. Verallgemeinern will ich das nicht.   Muss eine moderne Pfarrerin über Sex sprechen können? Es wäre wohl wünschenswert, wenn Pfarrperson über alles Mögliche frei sprechen könnten. Alles, was das Leben prägt, sollten wir in diesem Beruf thematisieren können. Aber da sind auch die persönlichen Grenzen entscheidend.   Gibt es sexuelle Praktiken, die die reformierte Kirche ablehnt? Die reformierte Kirche hat kein Sexualhandbuch. Befürwortet wird aber sicher eine liebevolle, lebensfördernde und verantwortungsvolle Praktik. Die Grenze ist da, wo es zu Missbrauch und Gewalt kommt. Und dann gibt es natürliche noch individuelle Graubereiche, wo jedes Paar selbst entscheidet, was noch erlaubt sein darf und was nicht.   Was ist mit Sex vor der Ehe? Die Vorstellung, die Kirche würde keinen Sex vor der Ehe erlauben, ist eher freikirchlich geprägt. Veronika Schmidt schreibt in ihrem Buch, dass sexuelle Neugierde und das Ausprobieren für die persönliche Entwicklung gut sein kann. Und viele haben ja auch Sex vor der Ehe. Entscheidend ist, dass man einen vertrauens- und verantwortungsvollen Umgang praktiziert. Vorschnelles Verurteilen dient auch niemandem.   Das heisst, es gibt keine offizielle Haltung der reformierten Kirche dazu? Nein.  

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