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Der besterhaltene Schuh misst 26 Zentimeter. (Fotos: Nathalie Guinand), Sie müssen ständig feucht gehalten werden, damit sie nicht austrocknen.

5000 Jahre alter Schuh im Greifensee gefunden

Bei der Pfahlbausiedlung deren Überreste sich am Greifenseeboden bei Maur befinden, haben Archäologen einen aussergewöhnlichen Fund gemacht. Ein 5000 Jahre alter, noch gut erhaltener Schuh. Er ist aus Baststreifen geflochten, einem damals populären Material, aus dem unter anderem auch Ötzis Mantel gemacht war.

Der besterhaltene Schuh misst 26 Zentimeter. (Fotos: Nathalie Guinand), Sie müssen ständig feucht gehalten werden, damit sie nicht austrocknen.

Veröffentlicht am: 27.03.2018 – 17.45 Uhr

Sorgfältig schält die Restauratorin die Plastikfolie von einem braunen nassen Etwas. Alle Augen richten sich auf die Fundstücke, die für ein Laienauge aussehen, wie zertretene Kuhfladen. Es handelt sich hier jedoch um historische Kleidungsstücke, genauer gesagt um Schuhe aus der Jungsteinzeit. Am Dienstagmorgen präsentierten die Kantonsarchäologen die aussergewöhnlichen Funde.

Ganze 5000 Jahre ist es her, dass sie einen Menschenfuss vor spitzen Steinen und Kälte schützten. 26 Zentimeter misst der am besten erhaltene Schuh, woraus die Forscher schliessen, dass er einmal einer erwachsenen Person gehörte. Bis heute wurden in Europa weniger als zehn Schuhe aus dieser Zeit gefunden. Die Fundstücke stammen aus einer Pfahlbausiedlung bei Maur. Dort führen Archäologen seit vergangenem November Unterwasserausgrabungen durch. (Wir berichteten)

Erbaut wurde die Pfahlbausiedlung in der Jungsteinzeit. Damals gab es den Greifensee noch nicht und bei der Maurmer Schifflände befand sich eine Siedlung. «Die 20-30 Häuser waren zum Schutz vor Zugluft eng aneinander gebaut», sagt Beat Eberschweiler, Leiter der Kantonsarchäologie und Denkmalpflege. «Der Gestank in den Siedlungen muss unerträglich gewesen sein. Die Leute warfen damals einfach ihren Müll und Kot in die Gassen.» Der Kot habe wie Dünger gewirkt und vermehrte Schilfbildung verursacht. Das ermöglichte unter anderem, dass der Schuh so gut erhalten werden konnte. «Das saubere Entsorgen unseres Abfalls heute wird es zukünftigen Archäologen sehr schwer machen, daraus unsere Lebensweise herauszulesen», sagt er.

Lindenbast – das In-Material der Jungsteinzeit

Auch der besterhaltene Schuh des neuen Fundes ist damals wohl weggeworfen worden, wie die Archäologen vermuten. Denn er hat an der Ferse ein grosses Loch. Hergestellt ist er aus Baststreifen, die zu einer Sohle mit halb offenem Oberschuh verflochten wurden. Bast, das ist die Unterrinde bestimmter Baumarten. Bei diesem Schuh wurde wohl Lindenbast verwendet. «Das Material war damals sehr populär», erklärt der Projektleiter Adrian Huber. Auch der berühmte Zeitgenosse aus dem Eis, Ötzi, habe einen Mantel aus Lindenbast getragen.  

«Für uns sind solche Textilfunde wichtig», sagt Huber. «Jedes Detail ist wichtig, da es uns über die Stilvariationen und damit über die Entwicklung der Pfahlbauer Aufschluss geben kann.» Neben den insgesamt sieben Schuhen kamen auch andere Textilfunde ans Licht. Ein weiterer spannender Fund war ein Fadenknäuel, der wohl als Vorrat diente. «Der Vorrat sieht zwar unspektakulär aus, ist für uns aber sehr interessant.» Denn das Knäuel besteht nicht aus Bast, sondern aus Lein und sollte später vermutlich zu gewobenem Stoff verarbeitet werden. Der Leinstoff ist laut Huber eine neolithische Innovation, also eine Entwicklung die mit dem Sesshaft-Werden des Menschen einsetzte. Die Leinfelder musste man im Gegensatz zu den wild wachsenden Linden selbst anbauen. «Merkwürdigerweise haben die Leinstoffe die älteren Bastgeflechte lange nicht verdrängt», so Huber.

Vom Seegrund auf den Seziertisch

Die Objekte werden sie von den Unterwasserarchäologen geborgen, die diese meist in ganzen Blöcken aus den Bodenschichten herausschneiden. In der Kantonsarchäologie in Stettbach werden sie dann mit sehr feinen Pinzetten und Pinseln vorsichtig freigelegt.

Eine der Restauratorinnen bei der Arbeit:

(Handyvideo: Deborah von Wartburg)

«Die Funde sind wegen ihres nassen Zustands sehr empfindlich», sagt die Restauratorin Kathrin Trüllinger während sie aus einer Plastikflasche leichten Nebel auf die braune Masse vor sich sprüht. «Die Textilstücke müssen ständig feucht gehalten werden, sonst könnten sie bröckeln.» Zudem werden sie fest in eine Plastikfolie gehüllt, damit sie nicht auseinanderfallen. Sind die Stücke freigelegt, untersuchen Spezialisten die Herstellungstechnik der Textilien. Alles werde genauestens dokumentiert. Sei der Gegenstand ausreichend begutachtet worden, gebe man ihn an das Schweizerische Nationalmuseum weiter, wo er in einer Art Bad ausgestellt werde. Später kehre er zurück ins archäologische Archiv.

Mehr solche Funde möglich

Die Ausgrabungsarbeiten bei der Schifflände Maur hätten eigentlich Anfangs Jahr fertig sein sollen. Wegen der aussergewöhnlichen Funde seien sie jedoch bis Juni verlängert worden, sagt Beat Eberschweiler. «Solche Funde hätten wir in Maur nicht erwartet», sagt Kathrin Trüllinger. Jetzt rechnen die Forscher jedoch damit, dass sich im Seeboden bei Maur noch mehr solche Schätze verbergen. Auf diese müssen die Archäologen gut achtgeben.

Denn Wind, Wetter und Schiffswellen können die alten Stücke freisetzen. Deshalb werden die Taucher die Pfahlsiedlungsüberreste nach Abschluss der Bergungsarbeiten mit einem Vlies auskleiden, das diese schützen soll. «Denn alles ausheben kann man nicht», sagt Leiter Beat Eberschweiler. «Und vielleicht wird dieses Vlies in 5000 Jahren ja ebenfalls ausgegraben und gibt dann den Archäologen der Zukunft Rätsel über unsere Lebensweise auf.»


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