Bei starkem Regen kann man in unserem Garten Fische säen oder Enten ernten», pflegte ich zu sagen. Das bisschen Grünfläche (der Begriff Wiese, geschweige denn Rasen, verbietet sich von selbst) wird zu einem temporären Teich. Nach zwei bis drei Tagen hat sich das Wasser dann verflüchtigt. Ich nehme an, mehrheitlich durch Verdunstung und nebensächlich durch natürliche Aufnahme des Bodens. Genau da liegt der Hund begraben. Unter den gefühlten zwei Zentimetern Humus stösst man auf gemischten Dreck mit Bauschutt: gepresst, verdichtet und quasi wasserdicht. Das zeigt sich etwa dann, wenn der Handvertikutierer wieder einmal an einem Stück Backstein des Ad-hoc-Unterbodenmauerwerks hängen bleibt.
Das Verdikt des Gärtners war klar: «Das muss man drainieren.» Dem Regenwasser muss der Weg ins Erdreich gezeigt werden. Sein Vorschlag: «Pro Quadratmeter fünf oder sechs Löcher von einem Meter Tiefe machen und mit Sand füllen.» Gerne hätte er den Auftrag angenommen, aber seine Preisvorstellung wollte sich so gar nicht mit meinem Budget in Einklang bringen lassen.
Ein paar Löcher schlagen kann nicht so schwierig sein, und im örtlichen Bau- und Hobbymarkt gibt es nebst dem Werkzeug sicher auch den Sand dazu. Zudem können ein wenig Gartenarbeit und körperliche Ertüchtigung nicht schaden. «Drainieren gleich trainieren», kalauere ich munter drauflos.
Da ich auch noch ein grosses Umweltbewusstsein habe, sattle ich meinen Drahtesel, hänge den Anhänger dran und radle in den Baumarkt. Fr. 126.85 später ist mein Anhänger 61 Kilogramm schwerer: Zwei 25-Kilogramm-Säcke «Sand 04 Millimeter gewaschen», ein Locheisen (Stahl, 7 Kilogramm, zwei Jahre Garantie) und ein Schlegel, Nylon mit weiteren 4 Kilogramm Gewicht gehören nun mir.
Zu Hause gehts ans Lochen. Da das Locheisen eine stattliche Länge von 150 Zentimetern aufweist, ich aber mit 175 Zentimetern nicht zu den Hünen gehöre, muss ein Bock her. Oder, wie wir Schweizer halt so schön sagen: ein Böckli. Ein rotes. Aus Plastik. Passt schon.
So breitbeinig, wies geht, stelle ich mich drauf und nehme vorsichtig Mass. Die ersten Schläge sind zaghaft und wenig effektiv. Schon nach kurzer Zeit steigt die Treffsicherheit. Die Wucht der Schläge nimmt ungeahnte Ausmasse an. Aber das Klebeband, das den angestrebten einen Meter markiert, will und will sich nicht dem Boden nähern.
Als es schliesslich nur noch 40 Zentimeter über Grund ist, erkläre ich mich zum Gescheiteren und gebe nach. «60 Zentimeter müssen reichen», halte ich fest und schlage ein paarmal quer an die Stange, rüttle daran, schlage noch ein paarmal, rüttle wieder etwas, fluche etwas, weil das vermaledeite Ding im Boden stecken bleibt, knalle dann den Hammer mit grossem Furor noch dreimal gegen die Stange und kann sie rausziehen.
40 Zentimeter neben dem ersten Loch ramme ich den Stahl wieder in den Boden, platziere mein Böckli und schlage zu, dass sich die weisse Nylonfläche des Hammers deformiert. Gerade bei einem richtig schön wuchtigen Schlag kracht es. Der Hammerkopf und ein Teil des Stiels liegen im Gras. Den Rest des Stiels halte ich in meinen Händen.
Da ich der zuschauenden Kinderschar für kurze Zeit werde ich zum Thor der Siedlung nicht unbedingt Schimpfwörter beibringen will, erkläre ich äusserlich absolut ruhig, dass das jetzt «e chli blöd» ist. Innerlich immer noch mit der Abarbeitung meiner Schimpfwörter beschäftigt, radle ich wieder in den Baumarkt. Sicherheitshalber kaufe ich gleich zwei Stiele.
Zurück im Grün mit neuem Stiel und mit der Wut über den Stielbruch im Bauch, mache ich mich an die weiteren Löcher. Die Arbeit geht jetzt flott voran. Die Kraft schwindet nach und nach. Am Anfang brauche ich nach 40 Schlägen eine Verschnaufpause, dann nach 30 und noch etwas später nach jedem 20. Schlag. Nach jedem zweiten Loch schütte ich etwas Wasser ?in mich hinein, so, wie man das von Federer und Co. nach jedem zweiten Game kennt. Ich fühle mich wie ein richtiger Profi.
Dann Fehlschlag Nummer 1. Der Hammer saust am Eisen vorbei. Mit viel Schwung treffe ich das Böckli exakt zwischen meinen Füssen. Das physikalische Trägheitsgesetz spielt eine vorbildliche Rolle: Das Böckli fliegt nach hinten, und ich stehe verdutzt auf dem Boden. Nur ein kurzer Schreck und schon schlage ich wieder erbarmungslos auf die Stange ein.
Dann Fehlschlag Nummer 2. Der Hammer streift das Eisen. Die Bahn des Hammerkopfs wird leicht nach links verschoben. Dort ist mein linker Fuss. Genauer mein linker grosser Zeh. Das tut weh. Das tut sehr weh. Das tut weh. Zum Glück haben sich die Kinder schon vor einer Weile verzogen, und auch sonst scheint sich gerade niemand um das Geschehen in unserem Garten zu kümmern. So nimmt niemand meine schlagartige Verwandlung vom Thor zum Tor der Siedlung wahr.
«Ein Indianer kennt keinen Schmerz.» «Schön, wenn der Schmerz nachlässt.» «Heb däm Hammer Sorg!» oder «Tuts weh?» sind Sätze, die ich jetzt einfach nicht hören will. Aber ja, der Zeh tut weh. Vorsichtig steige ich aus dem weichen, für schwerere Gartenarbeit vollkommen ungeeigneten Schuh und entdecke keine blutige Socke. So schlimm kann es nicht sein.
Also: Nicht die Memme raushängen lassen weiterschlagen. Vorsichtig. Aber mit «Hämmerle» bringe ich das Eisen nirgendwohin. «Es kann ja nicht sein, dass ich nochmals derart danebenhaue», sage ich mir und schlage wieder mit Schwung zu.
Nur die Gedanken muss ich unbedingt vom Zeh lösen. Zum Hammertraining kommt eine mentale Komponente dazu. Aber an was soll ich denken? Ich zähle die Schläge. Resultat: Fürs Versenken und Lockern der Stange benötige ich jeweils zwischen 115 und 120 Schläge. Ich mache insgesamt 38 Löcher. Das heisst, ich lasse den Hammer rund 4500 Mal auf das Eisen sausen. Zwei Schläge oder 0,044 Prozent gehen daneben. Eigentlich kann ich stolz sein.
Der Zeh dämpft das Hochgefühl drastisch. Demütig krieche ich nach getaner Locharbeit am Boden rum und fülle die Löcher mit Sand. Dann vertikutieren, ansäen, Rasenerde verteilen, und fertig ist das Werk. Nach getaner Arbeit bin ich zu müde, um mir weitere Gedanken zu machen.
Die Folgen folgen am Tag danach. Der Kopf schmerzt, die Schulter zieht, die Oberarme versinken im Muskelkater, die Unterarme lahmen, und die Hände tun weh. Der Rücken war schon besser «zwäg», die Hüfte kreiste schon lockerer, und die Knie sind weich. Das Einzige, was nicht wehtut, ist der grosse Zeh der rechte. Der linke ist blau-violett-schwarz-grün mit einem seltsam abgehobenen Nagel. Zugleich ist er dick geschwollen. Da kalauern hilft: «Ich lebe jetzt auf grossem Zeh das war der Hammer.»
Und noch etwas schmerzt: mein Ego. Hätte ich doch dem Gärtner Geld gegeben. Die Arbeit wäre schneller, professioneller und schmerzfreier verlaufen. Ich ziehe den Hut und verneige mich vor all den Landschaftsgärtnern, Handwerkern, Strassenbauern oder Bauarbeitern.
PS: Beim nächsten Regen war der See kleiner. Er reicht jetzt nur noch für kleine Fische. Es braucht noch mehr Löcher.
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