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Spricht sich für andere Lösungen als Wegweisungen aus: Simon Röthlisberger, Geschäftsführer der Stiftung Zukunft für Fahrende. (Foto: PD), Hier campierten die Fahrenden in der Fuchsrüti in Gossau. (Foto: Seraina Boner)

«Wegweisungen sind nicht zielführend»

Simon Röthlisberger, Geschäftsführer der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende, schätzt den Fall der Wegweisung der Fahrenden in Gossau ein. Er ist der Meinung, dass es wohl bessere Lösungen gegeben hätte.

Spricht sich für andere Lösungen als Wegweisungen aus: Simon Röthlisberger, Geschäftsführer der Stiftung Zukunft für Fahrende. (Foto: PD), Hier campierten die Fahrenden in der Fuchsrüti in Gossau. (Foto: Seraina Boner)

Veröffentlicht am: 17.07.2018 – 10.51 Uhr

Herr Röthlisberger, sind Ihnen viele Wegweisungen von Fahrenden bekannt?
Simon Röthlisberger: Das Zusammenleben der Sesshaften mit den Fahrenden ist sehr oft konfliktfrei. Wir führen zwar keine Statistik, aber Wegweisungen gibt es. Meist haben wir allerdings nur Infos von Fällen mit Konflikten. Die anderen gelangen häufig erst gar nicht zu uns.

Haben Fahrende eine Rechtsgrundlage, um sich gegen Wegweisungen zu wehren?
Es gibt bis anhin keinen Musterprozess, in dem sich jemand wehrte. Aber vielleicht wäre es gut, wenn mal eine Gruppe Fahrender eine Wegweisung anfechten würde, damit es einen Präzedenzfall gibt. Aus nationaler Perspektive steht dem sogenannten spontanen Halt aus rechtlicher Sicht nichts entgegen.

Was bedeutet dies konkret?
Fahrende können bis zu vier Wochen auf privatem oder öffentlichem Grund Halt machen, wenn sie eine Abmachung mit dem Grundeigentümer treffen. Aus rechtlich-raumplanerischer Sicht ist das rechtens. Es gibt auch andere Gruppen, wie beispielsweise Pfadi-Zeltlager, die Landwirtschaftsflächen nutzen. Aber: Fahrende campieren nicht. Das Reisen und Halten gehört zu ihrer Lebensweise. Und als anerkannte nationale Minderheit haben sie ein Recht, nomadisch zu leben.

Sind solche spontanen Halts bewilligungspflichtig?
Es braucht eine Abmachung oder idealerweise einen Vertrag mit dem Landeigentümer. Darüber hinaus sind sie grundsätzlich nicht bewilligungspflichtig. Natürlich können die Behörden eingreifen, wenn sie Beanstandungen haben.

Weshalb braucht es spontane Halte, wenn es doch offizielle Halteplätze gibt?
Sie sind zentral für die Lebensweise der Fahrenden. Sie können so in einer Region Arbeit suchen und dann weiterziehen. Spontane Haltemöglichkeiten sind nur schon deshalb notwendig, weil es zu wenige offizielle Halteplätze gibt. Wir machen alle fünf Jahre Erhebungen, wie der aktuelle Stand in der Schweiz ist. So bräuchte es momentan 26 zusätzliche Winterplätze – es gibt gerade mal 15 davon. Weiter fehlen 40 Durchgangsplätze für kurze Aufenthalte. Für Fahrende aus den EU-Räumen bräuchten wir ebenfalls fünf bis sechs zusätzliche grössere Plätze.

Wenn es nicht funktioniert mit den Fahrenden: Ist eine Wegweisung der richtige Weg aus Ihrer Sicht?
Wegweisungen sind fragwürdig und normalerweise nicht zielführend – es geht schliesslich um Menschen, nicht um Wohnwagen, die weggeräumt werden. Polizeiliche Räumungen verursachen hohe Kosten. Wer bezahlt diese? Der Kanton? Oder ergeben sich dadurch auch unter Umständen einschneidende Kostenfolgen für die Gemeinde?

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Offenbar sind die Fahrenden im Fall von Gossau einfach in die Nachbarsgemeinde gefahren. Das ist auch nur eine Verlagerung des Problems, oder?
Das ist genau ein weiterer Kritikpunkt. Man reicht sie einfach weiter, damit man sich selber nicht mehr darum kümmern muss. Nachhaltig ist das nicht. Es wäre gut, wenn Politik und Behörden sich bewusst wären, dass es andere Optionen gibt als Wegweisungen. Das ist aber vielerorts auch der Fall.

In Gossau wuschen die Roma offenbar ihre Wäsche auf offenem Gelände mit ihren Waschmaschinen. Ist das ein Standardproblem?
Das klingt danach, als hätte die Infrastruktur gefehlt. Die kann man aber auch auf den Platz bringen. Es gibt mobile Abwassersysteme. Vielleicht hätte man das Abwasser auch via nahes Bauernhaus ableiten können. Ich kenne den Platz nicht, aber meist gibt es Lösungen für solche Probleme. Zu diesem Zweck existieren Vermittlungsangebote. Die könnten helfen, eine Wegweisung zu verhindern. Aber sie müssen natürlich auch genutzt werden.

Die Wegweisung in Gossau

Der Fall der weggewiesenen Roma in Gossau gab zu reden. Zunächst äusserten sich Gemeindeverwaltung und Landbesitzer positiv über die campirende Gruppe. Am Freitagabend meldete die Gemeinde dann plötzlich, die Gruppe müsse weggewiesen werden, weil sie sich nicht an Hygienevorschriften gehalten habe. Auf Nachfrage hiess es, sie hätten Wäsche auf dem Land gewaschen und das Abwasser in die Wiese laufen lassen. Zudem sei Kot im Maisfeld ein Problem gewesen. Am Sonntag verliessen die Roma auf Geheiss der Gemeinde das Landstück. Der Bauer hätte aber eine andere Variante als die Wegweisung bevorzugt. (kö)


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