Etwas über die Hälfte der Engländer feierte den gestrigen Tag als einen des Mutes und der Selbstbestimmung. Auf das grosse Fest wird nun aber ein Kater folgen, der sich anders als nach einer durchzechten Nacht nicht so rasch auflösen wird.
Das Nein zur EU wird nicht nur wirtschaftliche Probleme mit sich bringen, die noch nicht abzuschätzen sind, sondern verleiht auch den Zentrifugalkräften im eigenen Land neuen Auftrieb. Das Los von der EU kann leicht ein Los von Grossbritannien nach sich ziehen: Die Abspaltungsgelüste von Wales, Nordirland und vor allem Schottland erhalten neue Nahrung.
Dass die Inselbewohner sich für diesen Weg entschieden haben, ist nicht nur auf diffuse Migrationsängste zurückzuführen, sondern hängt auch mit der schlechten Verfassung der EU zusammen. Von der Finanzkrise schlitterte die grosse Union unterbruchslos in die Flüchtlingskrise. In beiden Fällen machte sie eine schlechte Figur und musste einen grossen Imageverlust hinnehmen.
Zudem rächt sich jetzt auch, dass das Problem des Demokratiedefizits in der EU nie wirklich angegangen worden ist. Die Mitbestimmung des Volks in EU-Angelegenheiten wird kleingeschrieben. Die EU wird sich in den nächsten Monaten zunächst aus der Schockstarre lösen müssen.
Ein solcher Fall, wie er nun eingetreten ist, war undenkbar und bereitet starke Kopfschmerzen. Wenn die EU aber die Zentrifugalkräfte eindämmen und weitere Absatzbewegungen unterbinden will, kommt sie nicht umhin, sich Reformen zu unterziehen. Zu diesen wird auch die Frage gehören, ob die umstrittene Personenfreizügigkeit wirklich so absolut gelten muss.
Das soll aber nicht heissen, dass die Schweiz nun auf ein Entgegenkommen hoffen kann, wenn es um die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative geht. Die EU wird jetzt vor allem mit sich selbst beschäftigt sein und kaum Zeit haben, sich um die Schweiz zu kümmern.
Und selbst wenn sie es täte, wird sie sich davor hüten, der kleinen Insel im Herzen Europas Zugeständnisse zu machen, bevor sie nicht unter ihren Mitgliedern Klarheit geschaffen hat. Wer hierzulande den Brexit mitbejubelt, hat sich vielleicht zu früh gefreut.
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