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«Ein Kopftuch ist keine Unterdrückung»

Safyya trägt Hidschab und Abaya, die Kleidung muslimischer Frauen. Aber sie spricht Zürichdeutsch, ist Schweizerin. Was bringt eine einheimische junge Frau dazu, sich zum Islam zu bekennen?

Veröffentlicht am: 08.12.2019 – 07.00 Uhr

Safyya fällt auf. Ihre Kleidung wird oft als Provokation verstanden, allein das Kopftuch stösst auf Vorbehalte oder gar offene Ablehnung. Warum tut man sich so etwas an? Safyya kann die Frage nicht verstehen. Sie sieht die Blicke, die sie durch ihre Kleidung anzieht, nicht nur als Problem. Im Gegenteil: Sie macht auch sehr gute Erfahrungen. Häufig werde ihr auf der Strasse freundlich zugewinkt, werde sie angelacht, erzählt sie.

Vor mehr als 20 Jahren war Safyya noch Irene. Ein Kopftuch trug sie nicht. Sie spielte aktiv Fussball, hatte gute Chancen auf eine Profikarriere, sagt sie. Gläubig war sie schon damals, als Christin. Der Islam spielte noch keine Rolle in ihrem Leben. Dann lernte sie bei der Arbeit ihren ersten Mann kennen und mit ihm den Islam.

Mit 18 Jahren konvertiert

Ein halbes Jahr nach ihrem 18. Geburtstag entschied sich Irene zum Islam zu konvertieren und damit die Religion ihres Mannes anzunehmen. «Ich habe nicht wegen ihm konvertiert, sondern durch ihn», betont sie heute. Für sie war die Wahl für den Islam «logisch»: Es wird nur ein Gott angebetet und nicht wie im Christentum auch noch Jesus. Die Konvertierung war aber ein Entscheid, der ihr Leben umkrempeln sollte. Familie und Freunde hatten zu Beginn nur wenig Verständnis. Ihre Eltern vermuteten einfach eine rebellische Phase.

Nur eine Phase war der Religionswechsel aber nicht. Safyya trägt immer noch ein Kopftuch und geht in die Moschee. Heute hat sie drei Kinder, ist alleinerziehend. Mit ihrem damaligen Mann ist sie nicht mehr zusammen. Fussball spielt sie noch immer. Bereut hat sie die Konvertierung nie. Und mit ihren Eltern hat sie sich versöhnt. Ihre Mutter, nach wie vor Christin, kommt regelmässig in die Moschee und hilft in der Küche mit. Safyya ist froh darüber: «Das Mami kommt im Islam immer an erster Stelle», sagt sie, «dein Mami, dein wichtigster Freund.»

Respekt dank Kopftuch

Ihr Freundes- und Bekanntenkreis hat sich jedoch mit der Konvertierung stark verändert – genau wie ihre äussere Erscheinung. Entgegen des Willens ihres Mannes zog sie ein Kopftuch, einen sogenannten Hidschab an. «Damit fühle ich mich frei», sagt Safyya. Die Menschen, denen sie begegnete, hätten sie spürbar mit mehr Respekt und Würde behandelt. Sie sei kein sexuelles Objekt mehr gewesen.

Komplett verhüllt hat sich Safyya mit dem Kopftuch nicht. Sie trägt einen sogenannten Al-Amira. Das Kopftuch ist farbenfroh, bedeckt die Haare und reicht bis über die Schultern. Die Augen und das Gesicht bleiben frei. Dazu trägt sie eine Abaya, eine Art traditionelles islamisches Überkleid. Als eine Unterdrückung der Frau sieht Safyya das Kopftuch nicht. Sie fühle sich damit geschützt und respektvoller behandelt.

Mit ihrer Erscheinung exponiert sich die Muslima in einer Gesellschaft, die dem Islam immer kritischer gegenüber steht. In den letzten 20 Jahren – also in der Zeit nach Safyyas Konvertierung – sorgten Terroranschläge weltweit für Schlagzeilen. Vorbehalte und Ablehnung gegenüber der muslimischen Bevölkerung nahmen dadurch auch in der Schweiz zu.

Safyya liess sich von diesen Entwicklungen nicht beirren. Sie spricht sich für Toleranz gegenüber allen Religion aus. Für Toleranz gegenüber Muslimen in den christlich geprägten Ländern Europas genauso wie für Toleranz gegenüber anderen Religionen in muslimischen Ländern. Diese Haltung lebt sie auch in ihrer Familie vor: «Wenn meine Kinder eine andere Religion annehmen möchten, wäre ich offen dafür», sagt sie. Einfach wäre ein solcher Entscheid zwar nicht für sie, das gibt sie zu. Aber ihre Kinder sollen sich selbst entscheiden können. Genau gleich wie Safyya dies vor mehr als 20 Jahren getan hat.

Die Bewohnerinnen und Bewohner des Zürcher Oberlands sind so einzigartig wie die Region. Bei «Mir Oberländer» stellen sie sich in unregelmässigen Abständen vor und nehmen zu Klischees und Vorurteilen Stellung, die ihnen in ihrem Alltag oder Berufsleben begegnen.

Muslime in der Schweiz
Gemäss den aktuellsten Erhebungen des Bundesamts für Statistik bekannten sich im Jahr 2017 2.5 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer zum Islam. Der Anteil Muslime in der gesamten ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz lag bei 5.4 Prozent. Im Jahr 2000 lagen die Anteile noch bei 0.6 Prozent, respektive 3.6 Prozent der Wohnbevölkerung. Der Anteil Muslime unter den Ausländern mit Wohnsitz in der Schweiz sank zwischen 2000 und 2017 von 16.5 auf 14.3 Prozent.


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