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Der Spitex Verein Mittleres Tösstal soll über mehrere Jahre hinweg falsch rapportiert haben. Foto: Milena Gähwiler

«Ich bestreite vehement, dass eine interne Weisung bestand»

Die Causa Spitex Mittleres Tösstal ist dem Vereinspräsidenten höchst unangenehm. Es sei richtig, dass man die ganze Angelegenheit nun aufarbeite. Zudem sagt er, dass sich niemand persönlich bereichert habe.

Der Spitex Verein Mittleres Tösstal soll über mehrere Jahre hinweg falsch rapportiert haben. Foto: Milena Gähwiler

Veröffentlicht am: 23.02.2021 – 13.00 Uhr

Der Spitex Verein Mittleres Tösstal hat durch falsche Rapportierung über Jahre Krankenkassen, Gemeinden und Klienten zu viel in Rechnung gestellt. Konkret soll Weg- als Behandlungszeit verrechnet worden sein, obwohl man das gemäss Gesetz nicht dürfte. Knapp 630‘000 Franken muss der Zweckverband als Rechtsnachfolger des Spitex Vereins nun zurückzahlen. Erich Pfäffli, ehemaliger Präsident des Spitex Vereins Mittleres Tösstal, nimmt im Interview Stellung:
 

Herr Pfäffli, was sagen Sie zu den Vorkommnissen rund um den Spitex Verein Mittleres Tösstal?
Erich Pfäffli: Es ist ein unschönes Thema und mir sehr unangenehm. Ich bedaure das ausserordentlich. Ich bin aber auch ziemlich überrascht, weil wir schlicht nicht wissen, wie das passieren konnte.

Wie kann das sein? Sie sind der Präsident. Haben Sie Ihre Kontrollfunktion zu wenig ausgeübt?
Man kann dem Vorstand vorwerfen, dass er die internen Prozesse zu wenig genau kontrolliert hat. Mehr aber nicht. Dass man die ganze Angelegenheit nun aufarbeitet, ist richtig und muss sein.

Im Raum steht, dass es möglicherweise interne Papiere gebe, dass man falsch rapportieren solle.
Dass eine interne Weisung bestand, falsch zu rapportieren, diesen Vorwurf bestreite ich vehement. Aber ja, wir hätten interne Dokumente und Abläufe besser kontrollieren sollen. Man darf nicht vergessen, dass die Mitarbeitenden die Einträge im System machen. Solange das innerhalb der ärztlichen Verordnung geschieht, gibt es keinen Grund, dies zu hinterfragen.

An der Delegiertenversammlung vom Mittwoch war auch ein Thema, dass Protokolle fehlen, zum Beispiel von Vorstandssitzungen.
Dieser Vorwurf ist nicht korrekt. Die Protokolle sind da. Aber der Spitex Verein hat beschlossen, dass seine Akten im Archiv der Gemeinde Turbenthal aufbewahrt werden. Ich habe niemals einen Beschluss der Betriebskommission erhalten, dass ich ihr die Protokolle hätte aushändigen sollen. Man kann die Protokolle anfordern. Diverse Unterlagen ab dem Jahr 2016 liegen bei der Spitex in einem elektronischen Ordner und können dort eingesehen werden.

Der Zweckverband arbeitet das Ganze nun auf. Wie haben Sie davon erfahren, dass etwas nicht stimmt?
Ich bin Ende Juni 2020 darauf angesprochen worden, dass Unregelmässigkeiten aufgrund der Aktualisierung der Rapportierungs-Software entdeckt wurden. Mitte September erhielt ich den Bescheid, dass eine Untersuchung eingeleitet wird.

Schliesslich gab es Ende Oktober eine Aussprache mit zwei Mitgliedern der Betriebskommission, an der auch der ehemalige Spitex-Geschäftsleiter Heinz M. Schwyter und ich anwesend waren. Am gleichen Tag informierte die Betriebskommission die Gemeinden über den Stand ihrer Abklärungen. Und nun habe ich von den Medien über das Ausmass des Schadens erfahren. Ich wurde im Übrigen nie angefragt, bei den Abklärungen mitzuwirken.

Und?
Ich bestreite den Sachverhalt nicht, jedoch stelle ich die Höhe der Summe infrage. Bei den knapp 630‘000 Franken handelt es sich um eine Schätzung aufgrund einer Hochrechnung. Gut möglich, dass es auch weniger sind. Es gibt keine kantonsweiten Daten oder Statistiken zu Spitex-Wegzeiten. Diese sind deshalb schwierig zu vergleichen.

Wir vom Vorstand haben jeweils die Auslastung unserer Spitex angeschaut. Diese betrug im Jahr 2018 beispielsweise 48,4 Prozent. Der kantonale Schnitt betrug damals 55,7 Prozent. Die Auslastungsziffer zeigt, wie viel Prozent der Gesamtarbeitszeit die Spitex weiter verrechnet hat, eben zum Beispiel Behandlungszeit. Wir haben im Jahr 2018 also weniger weiter verrechnet als alle Spitexen im Kanton Zürich im Schnitt.

Der Zweckverband hat die Wegzeiten mit denjenigen der Spitex Zell verglichen. Letztere sollte aufgrund der Topographie eigentlich kürzere Wegzeiten ausweisen, trotzdem waren diejenigen von Zell höher. Ausserdem seien Wegzeiten immer wieder Thema bei der Spitex Mittleres Tösstal gewesen.
Natürlich waren Wegzeiten, wie alle nicht verrechenbaren Leistungen, immer ein Thema. Aber das ist bei jeder Spitex der Fall. Wegzeiten kann man gut oder schlecht planen. Der Vergleich der angefallenen Wegzeiten mit anderen Organisationen ist sehr schwierig. Entscheidend sind unter anderem die Anzahl Kunden, die geografische Verteilung im Versorgungsgebiet oder der Umfang der erbrachten Leistungen. Der Spitex Verein hat sich laufend mit anderen Organisationen verglichen.

Nochmals. Ich bestreite die Angelegenheit nicht. Aber man muss auch sehen: Runden ist bei der Spitex Alltag. Bis zum 1. Januar 2014 konnte man die Behandlungszeit auf die nächste Viertelstunde aufrunden, seit dann nur noch auf die nächsten fünf Minuten. Das haben die Spitexen natürlich schmerzlich gespürt.

Und die Zeit wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern manuell eingetragen?
Bei der Spitex Mittleres Tösstal haben wir mit Tablets gearbeitet. Die verrechenbare Zeit fängt an mit dem Einlesen in die Pflegedokumentation. Das kann im Büro, im Auto oder beim Klienten erfolgen. Und sie geht weiter bei der Ankunft der Mitarbeitenden beim Klienten. Die Zeit endet, wenn sie das Haus wieder verlassen. Danach ergänzen sie im Tablet die Pflegedokumentation.

Das Nachführen der Pflegedokumentation ist ebenfalls eine verrechenbare Leistung und kann im Büro, im Auto oder beim Klienten erfolgen. Eingetragen wird auch die Zeitdauer, das System rundet dann automatisch auf die nächsten fünf Minuten auf. Dann gehen die Mitarbeiter zum nächsten Klienten und erfassen auch die Wegzeit.

Hat sich die Spitex durch falsche Rapportierungen saniert? Sie hätte gemäss präsentierter Schattenbuchhaltung ansonsten einen Verlust von insgesamt 453‘000 Franken geschrieben im Zeitraum von 2015 bis 2019.
Nein. Was hätte das überhaupt gebracht? Und um das auch noch klarzustellen: Es hat sich niemand persönlich bereichert. Die Schattenrechnung ist mir unbekannt. Übrigens: Gemäss Anschlussvertrag fliesst nahezu das gesamte Eigenkapital des Vereins – über 400‘000 Franken – dem Zweckverband zu. Der Zweckverband kann die von den Delegierten beschlossenen Rückzahlungen damit bestreiten.

Wir haben den ehemaligen Geschäftsleiter Heinz M. Schwyter kontaktiert für eine Stellungnahme. Er hat an Sie verwiesen. Weshalb?
Wir haben das im Verein so definiert, dass ich die Ansprechperson gegen aussen bin.

Sie stehen hinter ihm in seiner Zeit als Geschäftsleiter?
Ja, zu 100 Prozent. Er hat die Spitex in einer sehr schwierigen Zeit übernommen, die Organisation sehr schnell stabilisiert und sich zusammen mit den Mitarbeitenden für die Spitex eingesetzt. Dazu möchte ich gleich noch etwas sagen: Dass die Unternehmenskultur bei der Spitex Mittleres Tösstal schlecht gewesen sein soll, dagegen wehre ich mich vehement. Wir hatten keine Kuschelkultur, in der sich niemand getraut hätte, etwas zu sagen oder unterdrückt wurde. Die Mitarbeiterfluktuation unter Heinz M. Schwyter war im üblichen Ausmass. Die problematische Praxis hat zudem schon vor seiner Zeit als Geschäftsleiter angefangen.

Im Juni soll ein Abschlussbericht erscheinen. Was denken Sie, was darin steht?
Ich weiss es nicht. Ross und Reiter sollen darin genannt werden. Es geht nun wohl darum, einen Schuldigen zu finden.

Sie?
Wäre jemand haftbar, dann der gesamte Vorstand in globo. Und da sitzen auch Delegierte des Zweckverbands drin, mitunter aktuelle Gemeinderäte.

Fürchten Sie einen Imageverlust für die Spitex Mittleres Tösstal?
Die Spitexorganisation hat auch nach der Übernahme durch den Zweckverband einen ausgezeichneten Ruf. Die Mitarbeitenden arbeiten äusserst professionell. Ich hoffe, dass diese unschöne Geschichte nicht auf dem Buckel der Mitarbeitenden ausgetragen wird.

Die Spitex ist ein wichtiger Pfeiler der Gesundheitsversorgung aller Einwohner der Zweckverbandsgemeinden. Das Vertrauen in die Dienstleistungen seitens der Klienten wird durch diesen Vorfall hoffentlich nicht geschmälert. (Interview: Rolf Hug)
 

Zur Person

Erich Pfäffli war mehrere Jahre Gemeinderat in Turbenthal, Präsident der Betriebskommission Pflege und Betreuung Mittleres Tösstal und Präsident des Kantonalen Spitex Verbands Zürich. Zuletzt war er mehrere Jahre Präsident des Spitex Vereins Mittleres Tösstal.


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