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Politik
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Rückblick auf 16 Jahre als Kreisschulpflegepräsident

Veröffentlicht am: 24.07.2017 – 08.18 Uhr

Wie wichtig und einflussreich das Amt eines Kreisschulpflegepräsidenten in Winterthur ist, zeigt exemplarisch das Brühlberg-Fiasko. Aber darum geht es in diesem Bericht nicht. Auch nicht um Felix Müller, sondern um einen Kollegen von ihm.

Ruedi Ehrsam ist ebenfalls Kreisschulpflegepräsident, und zwar seit 2002. Zuerst war er für den Schulkreis Mattenbach in einer 50-Prozent-Stelle zuständig. Mittlerweile ist der Winterthurer in seiner vierten Amtsperiode angelangt. Nun ist sein Amt eine Vollzeitstelle, auch weil die Stadt die Schulkreise 2014 von sieben auf vier reduzierte. Den grössten Kreis, Seen-Mattenbach, präsidiert Ruedi Ehrsam. 3300 Schüler, 420 Lehrpersonen, 14 Schulleitungen und 10 Schulhäuser obliegen der Aufsicht des heute 65-Jährigen. «Das sind fast Stadtzürcher Verhältnisse», meint Ruedi Ehrsam dazu.

2018 werden es 32 Jahre in der Schulpflege sein

Im Juni 2018 sind die Erneuerungswahlen der Mitglieder und der Präsidien der Kreisschulpflegen sowie der nebenamtlichen Mitglieder der Zentralschulpflege. Ruedi Ehrsam wird dann nicht mehr antreten. Erstens sei er nächstes Jahr bereits 66, zweitens seien 16 Jahre als Kreisschulpflegepräsident und 32 Jahre in der Schulpflege genug. Wie also blickt er heute auf seine Amtszeit zurück? Und was hat ihm die Ausübung seines Amts gegeben?

An die Kampfwahl 2002 kann sich Ruedi Ehrsam noch gut erinnern. Er setzte sich mit 852 Stimmen gegen Christoph Portmann (CVP) und den früheren SVP-Gemeinderat Markus Böni durch. Der Kreisschulpflegepräsident berichtet: «Ich sass am Wahltag in meinem Garten, als ich mich eine Schulpflegerin anrief. Sie teilte mir mit, dass ich gerade gewählt wurde.»

Kurz darauf erhielt Ruedi Ehrsam einen Blumenstrauss aus den Händen der damaligen Schulvorsteherin Pearl Pedergnana (SP), anschliessend hatte er seinen ersten TV-Auftritt. Dass er sich als parteiloser Kandidat gleich im ersten Wahlgang durchsetzen konnte, kam für ihn damals «sehr überraschend». Geholfen hat ihm sicher die Unterstützung der SP, Grünen und EVP.

Mails überprüft Ruedi Ehrsam schon von zu Hause aus

Seitdem ist viel Zeit vergangen, dreimal wurde Ruedi Ehrsam wiedergewählt. Sein Amt übt er immer noch mit der gleichen Leidenschaft aus. Morgens überprüft er von zuhause aus als erstes die Mails, im Büro an der Landvogt-Waser-Strasse startet er seinen Computer und bespricht mit den zwei Sekretärinnen, was an diesem Tag alles anstehe. Es folgen Telefonate mit Schulleitungen oder Eltern mit einem Anliegen. Auch über Mittag bleibt der ehemalige Realschullehrer oft im Sekretariat und somit erreichbar bei Problemen. Nachmittags finden dann Sitzungen und Gespräche mit den verschiedensten Institutionen statt.

Ein Kreisschulpflegepräsident muss sich  in einem Geflecht vieler Akteure zu Recht finden, in dem alle etwas zu sagen haben. Man ist eingebunden in Kreisschulpflege, Zentralschulpflege, Volkschulamt, Bezirksrat. Dazu äussern etwa auch Eltern, Schulleitungen das Schul- und Sportdepartement und die Zentralschulpflege eigene Interessen. «Die Komplexität des Amts fasziniert mich. Wegen der vielen Komponenten muss alles immer gesamthaft angeschaut werden», so Ruedi Ehrsam. «Vernetztes Denken», nennt er das.

Aktionismus ist kein guter Ratgeber

Dabei sei wichtig zu erkennen, wenn es heikel werde und «pressiere». Aber niemals dürfe man in Aktionismus verfallen, besonnenes Vorgehen sei gefragt. «Der Respekt der Sache sowie den Menschen gegenüber muss stets vorhanden sein», sagt Ruedi Ehrsam. Ein positives Menschenbild helfe enorm, dieses sollte man sich bewahren.

Auch er musste in seiner langen Amtszeit feststellen, dass man es nicht allen recht machen kann. «Als Kreisschulpflegepräsident muss man streng sein und zu seinen Entscheidungen stehen können», betont Ruedi Ehrsam. Etwa wenn Eltern mit der Einteilung ihres Kindes in ein bestimmtes Schulhaus nicht einverstanden sei. Man müsse aber auch kritisch mit sich selber sein und eine getroffene Entscheidung auch infrage stellen können.   

Schöne Momente beim Gang über den Pausenplatz

Das selbstkritische Denken hat Ruedi Ehrsam zumindest nicht verloren: «Ich glaube nicht, dass ich diesem Anspruch immer gerecht wurde, aber versucht habe ich es stets.» Zumindest oft genug ist ihm das gelungen, sonst hätte er wahrscheinlich nicht so lange im Amt bestehen können – gerade als Parteiloser.

So hat der Mattenbacher einige schöne Augenblicke in seinen bisher 15 Jahren als Schulpflegepräsident erlebt. «Ich habe die Momente genossen, in denen ich gespürt habe, dass es den Schulkindern gut geht. Wenn ich über die Pausenplätze gehe und das Gefühl habe, alles lauft so wie es sollte, bin ich zufrieden.» Natürlich freute er sich auch über positive Rückmeldungen von Eltern oder über Erfolge seiner Schulhäuser. Etwa als eine 4. Klasse Schweizer Meister im Handball wurde. Zudem ist die aktuell sportlichste Schulklasse Winterthurs ebenfalls aus seinem Kreis.

Aber Ruedi Ehrsam hatte auch mit heiklen Sachen zu tun. «Zu den traurigsten Ereignissen gehören Todesfälle von Schulkindern. Sehr schwierig sind auch immer Meldungen von sexueller und körperlicher Gewalt», schildert er. Genauer möchte er aus Rücksicht auf Betroffene nicht darauf eingehen. Solche Momente würden ihn jeweils lange beschäftigen. Er spüre grosse Hilflosigkeit, weil er die Leiden nicht einfach aufheben könne.

Erlebter Alltag als Lehrmeister

Als Kreisschulpflegepräsident muss man also auch belastbar sein, das Amt verlange viel von einem ab. Auch deshalb hört Ruedi Ehrsam 2018 auf. «Man darf nicht selber zum Beruf werden», meint er dazu.

Von generellen Ratschlägen für seinen Nachfolger hält Ruedi Ehrsam wenig. Jede Person sei anders und habe einen eigenen Führungsstil. Einen kleinen Tipp gibt der abtretende Kreisschulpflegepräsident von Seen-Mattenbach seinem künftigen Amts-Erben aber doch noch mit auf den Weg: «Der beste Lehrmeister ist der erlebte Alltag.»

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