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Die neuste Kurzgeschichte von Raffael Rihs thematisiert ein für viele wohlbekanntes Szenario: die Rückkehr aus den Ferien. (Bild: Andreas Hermsdorf/pixelio.de) , Raffael Rihs schreibt regelmässig Kurzgeschichten für die Reihe «Das Leben der Unsichtbaren». (Bild: zvg)

Der Investmentbanker

In der Reihe «Das Leben der Unsichtbaren» publiziert der Winterthurer Schriftsteller Raffael Rihs regelmässig eine seiner Kurzgeschichten. Diesmal: «Der Investmentbanker».

Die neuste Kurzgeschichte von Raffael Rihs thematisiert ein für viele wohlbekanntes Szenario: die Rückkehr aus den Ferien. (Bild: Andreas Hermsdorf/pixelio.de) , Raffael Rihs schreibt regelmässig Kurzgeschichten für die Reihe «Das Leben der Unsichtbaren». (Bild: zvg)

Veröffentlicht am: 26.07.2017 – 06.40 Uhr

Raffael Rihs ist 34 Jahre alt und lebt in Winterthur. Er hat am Winterthurer Institut für aktuelle Musik E-Gitarre studiert und arbeitet als Gitarrenlehrer in Adliswil und Winterthur. Neben der Musik widmet er sich dem Schreiben. In seinen Kurzgeschichten fängt er das Leben ein und möchte intime Einblicke gewähren. Es sind die flüchtigen Momente, die ihn interessieren, und der Mensch, der sich hinter seiner Maskerade verbirgt.

Das Leben der Unsichtbaren: Der Investmentbanker

Die erste Kaffeepause nach den Sommerferien ist immer etwas speziell – speziell mühsam. Alle wollen wissen, wie die Ferien waren und, hier in der Investment Abteilung ganz besonders, ob man so richtig auf den Putz gehauen hat. Christian graut es davor, aber die Kaffeesucht lässt es nicht vermeiden.  

Im Pausenraum angekommen, zielt Christian geradewegs zur Nespressomaschine, stellt seine « Paris, je t’aime » -Tasse unter den Auslauf und drückt eine Kapsel in die entsprechende Öffnung. Es ist kurz vor neun, Christian ist der einzige im Raum. Während sich die Tasse füllt, begibt sich Christian zum Kühlschrank und holt sich Kaffeerahm. Als er die Kühlschranktür zustösst, steht da auf einmal Matter.

« Wie waren die Ferien, Sigrist? » Hier im dritten Stock ist es üblich, dass man sich mit dem Nachnahmen anspricht - zumindest unter Männern. Das hat was kameradschaftliches. Man ist hier eine Schicksalsgemeinschaft wie damals im Militär.

« Ich hoffe, du hast es so richtig krachen lassen, Sigrist. » Matter zwinkert Christian zu, lockert seinen Krawattenknopf und mimt dabei einen Wolf, der den Mond anheult.

Christian nickt, geht aber nicht weiter darauf ein. Er schnappt sich eine Zeitung und stellt sich mit seinem Kaffee an einen Stehtisch. «Todesfalle Wasser - bereits über 30 Ertrunkene in Schweizer Gewässern», titelt der Blick. Christian nimmt einen Schluck seines Kaffees, als Matter sich neben ihn stellt. «Wer steigt schon in einen Fluss, wenn man einen eigenen Pool haben kann», meint Matter und streicht sich eine Gelsträhne aus der Stirn. 

«Wo warst du denn, Sigrist? Bist schön braun geworden. Mittelmeer, Südsee, Karibik?» «Lago Maggiore», gibt Christian trocken zur Antwort. «Zelten mit meinem Sohn», fügt er hinzu. Matter mustert sein Gegenüber, als wisse er nicht recht, ob er gerade zum Narren gehalten wird.

«Das mit der Scheidung tut mir echt leid», meint dann Matter, als sich Christians ernste Miene nicht aufheitert. «Frauen», fährt er fort, «erst nehmen sie dir die Familie und das Haus, dann schieben sie dir über die Ferien die Kinder ab.» Matter schüttelt den Kopf und beugt sich über seinen Kaffee.

«Hör auf, Matter. Das mit der Scheidung ist bald zwei Jahre her». Christian blättert in der Zeitung, würdigt Matter mit keinem Blick. «Tessiner wollen einen Bundesrat», steht nun da. Beide starren sie auf die farbigen Buchstaben und Bilder. «Wir gingen Fischen, schwammen im See, hatten eine gute Zeit», klärt Christian sein Gegenüber auf.

Matter schwenkt seinen Kaffee, als wäre es ein guter Jahrgang Chateauneuf-du-Pape. Dann leert er die Tasse in einem Zug. Er fährt sich über die Mundwinkel und rückt seinen Krawattenknopf zurecht. Bevor er geht, stupst er Christian an: «Wenn du Geld brauchst, Sigrist, lass es mich wissen. Wir Männer müssen zusammenhalten.»


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