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Ein Original übergibt ein Original: Gilbert Gisler (links) hat das Inventar des Tabakladens Cigars and Tobaccos zum Stadhof an Imerio Corradin verkauft. (Bild: Seraina Boner)

«König der Nacht» übergibt Kult-Kiosk

Im Tabakladen an der Zürichstrasse 7 hat sich im Laufe der Jahrzehnte nur wenig verändert. Einen wichtigen Wechsel gab es aber jüngst hinter dem Tresen: Gilbert Gisler, Usters «König der Nacht», hat das Zepter weiter gegeben.

Ein Original übergibt ein Original: Gilbert Gisler (links) hat das Inventar des Tabakladens Cigars and Tobaccos zum Stadhof an Imerio Corradin verkauft. (Bild: Seraina Boner)

Veröffentlicht am: 25.04.2017 – 16.50 Uhr

Eigentlich würde Imerio Corradin (56), der neue Inhaber des Tabakladens Cigars & Tobaccos zum Stadthof, gerne die Telefonnummer des von ihm frisch übernommenen Geschäfts ändern. «Ein grosser Fehler! Viele Stammkunden verwenden diese Nummer seit Jahren», meint sein Vorgänger Gilbert Gisler, der neben Corradin vor dem Laden sitzt. Corradin hält kurz inne und denkt nach. «Also gut, in diesem Fall werde ich mir das Ganze noch einmal überlegen», sagt er schliesslich.

Die Episode zeigt: Im über 50 Jahre alten Rauchwarengeschäft an der Zürichstrasse 7 müssen Änderungen sorgfältig durchdacht sein. Zwischen einem Solarium und Gilbert Gislers Cabaret «Nightbird» gelegen, ist der Tabakladen im Laufe der Jahrzehnte zu Usters Kult-Kiosk geworden. Eine im Stadtkern gelegene Institution, an dem die zahlreichen Aufwertungsbestrebungen im Zentrum spurlos vorbei gingen: Der Laden verströmt auch heute noch 60er Jahre -Flair.

Die Mühe mit dem Loslassen

Die Episode mit der Telefonnummer zeigt auch: Gilbert Gisler hängt immer noch an «seinem» Tabakladen – obwohl er den Stab am 1. April an Imerio Corradin weitergegeben hat. Überraschend ist das nicht: Schliesslich war Gisler zuvor während sieben Jahren das Gesicht des Kiosks. Von Montag bis Samstag sass er  jeweils während rund acht Stunden hinter dem Tresen und plauderte mit den Besuchern – viele von ihnen Stammkunden – über Gott und die Welt. Diese tägliche Routine fiel vor einigen Wochen Knall auf Fall weg.

Dass diese Änderung für Gisler einschneidend ist, will er erst nicht zugeben: «Ich bin Sternzeichen Wassermann: Wenn ich etwas erreicht habe, suche ich schon die nächste Herausforderung», sagt er scheinbar abgebrüht. Mit zunehmender Dauer des Gesprächs tritt dann allerdings auch die alternative Wahrheit ans Licht: Einmal eilt Gisler in den Laden, um einen Kunden zu bedienen – obwohl doch eigentlich auch Nachfolger Corradin vor Ort wäre. Immer wieder gibt er dem neuen Geschäftsführer Tipps. Und die Frage, wie oft er denn noch hier, an alter Wirkungsstätte zugegen sei, beantwortet Gisler mit «täglich». «Ja, ich gebe zu: mir fehlt etwas. Ich habe den Tag über keine Beschäftigung mehr», sagt er schliesslich.

Rotlicht und Tabak

Dabei wollte Gilbert Gisler ursprünglich genau das: Kürzer treten, nicht auch am Tag arbeiten. Denn in den letzten Jahren war er nicht nur tag- sondern auch nachtaktiv. Und die nächtliche Umtriebigkeit war es, die Gisler in Uster bekannt machte: Ende der 80er Jahre stieg er ins Ustermer Gastgewerbe ein. Später begann er, das in dieser Stadt bis dahin quasi inexistente Nachtleben aufzumischen, indem er das «Nightbird» (Usters erstes Cabaret), die «Bella Rosa» (Usters erste Kontaktbar) und den «Kitchen Club»(Usters derzeit einzige permanente Disco) eröffnete.

Die Nächte im Ustermer Rotlicht, die Tage hinter dem Tresen – für den 60-Jährigen wurde dies in den letzten Jahren zu viel. Deshalb jüngst der Verkauf des Ladeninventars an Imerio Corradin.

«Schweizer, Ustermer, Kollege»

Über 50 Personen hätten am Kauf des Kioskinventars – das Gebäude gehört der Stadt Uster – Interesse bekundet, sagt Gisler. Corradin habe schliesslich den Zuschlag erhalten weil er «Schweizer, Ustermer und ein Kollege» sei. Über Erfahrung als Kiosk- oder Kleinladenbetreiber verfügt der gelernte Bauzeichner mit italienischen Wurzeln zwar nicht. «Doch das bringen wir ihm schon bei», sagt Gisler.

Corradin nimmt die Einmischungen seines Vorgängers mit Demut und Dankbarkeit hin: «Er hat mir seine Hilfe angeboten und darüber bin ich sehr froh», sagt er. Und: «Ich wäre schon sehr böse, wenn ich sagen würde: ‹Gilbert, halte dich doch bitte raus!›».

Die unmittelbare Umgebung kennt der in Uster aufgewachsene und wohnhafte Corradin bereits gut: Im Keller des benachbarten «Nightbird» hat er, der einst eine Musikschule in Los Angeles besuchte, früher mit seiner Band auf der E-Gitarre geprobt. Von dort rührt auch die Bekanntschaft mit Gisler, der den Musikern einst die Räumlichkeiten zur Verfügung stellte.

Als Motiv für die Übernahme des Kiosk-Inventars gibt Corradin den Willen «sich beruflich neu zu orientieren und in Uster als selbstständig Erwerbender Fuss zu fassen» an. Wie viel Geld er Gisler für das Ladeninventar bezahlt hat, wollen Käufer und Verkäufer nicht sagen.

Verkaufsrenner Cannabis

Auflage von Gisler an seinen Nachfolger war es, dass der Laden ein Tabakgeschäft bleiben muss und seinen Charakter als Ustermer Institution nicht verlieren darf. Entsprechend behutsam will Corradin mit dem Erbe umgehen: Änderungen seien anfangs so gut wie keine geplant, der etwas in die Jahre gekommene Schriftzug zum Beispiel soll erhalten bleiben.

So wichtig Stetigkeit, ja Konservativität an der Zürichstrasse 7 auch sein mögen: Entwicklungen im Tabakgeschäft gelte es offen zu begegnen, sagen Gisler und Corradin übereinstimmend. «In der Tabak- ist es wie in der Modebranche: Die Trends lösen sich ständig ab», so Corradin. Jüngst sei es das CBD, das «legale Cannabis», gewesen, das bei den Kunden am meisten Anklang gefunden habe, sagt Gilbert Gisler.

Im Sortiment will Corradin «Schritt für Schritt gewisse Änderungen vornehmen». Zum Beispiel will er die Zigarren-Auswahl des ihm zufolge «einzigen Zigarrenladens im Zürcher Oberland» erweitern und passend dazu verschiedene Whisky-Sorten anbieten.

Gilbert Gisler wird ihm dabei weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen. Angestellte hat Corradin nicht und so wird es Gisler oder dessen Frau sein, der ihn bei ferienhalber Abwesenheit vertritt.

Was die Öffnungszeiten betrifft, so überlegt sich Corradin, ob er am Vormittag allenfalls eine Stunde früher öffnen wird als Gisler, um 10 statt um 11 Uhr. Ansonsten soll auch in diesem Bereich alles gleich bleiben. Alles andere wäre an diesem Fleck Uster, wo die Zeit manchmal stehen geblieben zu sein scheint, wohl auch schwer vermittelbar.


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