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Nur noch ein Instrument unter vielen: Die Blockflöte hat als Einsteiger-Instrument ausgedient. (Bild: Fotolia)

Die Blockflöte verstummt

Immer weniger Kinder spielen Blockflöte. Die Stadt Uster will deshalb den Unterricht in der Schule nicht mehr finanziell unterstützen. Vom Verschwinden eines Musikinstruments und den Gründen dafür.

Nur noch ein Instrument unter vielen: Die Blockflöte hat als Einsteiger-Instrument ausgedient. (Bild: Fotolia)

Veröffentlicht am: 20.10.2017 – 14.18 Uhr

Einst war sie das populärste Musikinstrument – und zugleich das meistgehasste. Jedes Kind spielte Blockflöte. Oder musste, würden wohl viele sagen. Der «Speuzchnebel», wie das Holzblasinstrument manchmal etwas verächtlich genannt wurde, gehörte für Generationen von Primarschülern zu den Schulutensilien wie der Zirkel und das Lesebuch. Wenn man dann zu Weihnachten ein Lied vorspielen konnte, waren zumindest die Grosseltern stolz.

Noch 19 Kinder von 2800 Schülern

Doch diese Zeiten sind vorbei: Heute spielen fast keine Kinder mehr Blockflöte. In Uster etwa sind es nur noch 19 Schüler, die den Blockflötengruppenunterricht an der Schule besuchen. Das bei aktuell über 2800 Primarschülern.

«Der Rückgang der Schülerzahlen im Blockflötenunterricht begann ab der Jahrtausendwende», sagt Ekkehard Sassenhausen, Leiter der Musikschule Uster und Greifensee. Noch 2007 gab es in Uster 25 Gruppen mit insgesamt 180 Schülern. 2012 waren es 20 Gruppen und 120 Schüler. Bis dahin hatte die Primarschule selbst den Blockflötenunterricht organisiert. Ab 2013 übernahm dann die Musikschule den Gruppenunterricht ­– auf Wunsch der Primarschule. Die Kosten für die Eltern stiegen stark, von 150 auf 360 Franken im Jahr. Gleichzeitig sanken die Schülerzahlen drastisch: auf noch 60 Schüler und 9 Gruppen.

Aufgeschreckt durch diesen Rückgang wurde die Politik aktiv: 2015 überwies der Ustermer Gemeinderat die Motion «Bezahlbarer Blockflötenunterricht» von Ursula Räuftlin (GLP). Er bewilligte einen Betrag von jährlich 32‘000 Franken, wodurch der Preis für die Eltern ab dem Schuljahr 2016/17 wieder auf 150 Franken sank. Anfänglich stiegen die Schülerzahlen daraufhin wieder leicht. Inzwischen sind sie jedoch auf einem neuen Tiefststand angelangt.

«In vielen Schuleinheiten gibt es zu wenig Schüler für eine Gruppe», sagt Sassenhausen. Deshalb müsse man manche Kinder, die Blockflöte spielen wollten, für den Gruppenunterricht an eine andere Schule schicken. «Das hat dazu geführt, dass die Anmeldungen noch weiter zurückgingen.»

Lieber mehr Geld für Grundausbildung

Angesichts dieser Zahlen will der Stadtrat nun den Blockflötenunterricht auch nicht mehr finanziell unterstützen. Das geht aus einer Antwort auf eine Anfrage von Daniel Pellegrini (FDP) hervor. Darin räumt der Stadtrat ein, dass die Subventionen für den Blockflötenunterricht nicht den erhofften Effekt gehabt hätten. «Grundsätzlich wären die Ressourcen sinnvoller einzusetzen für moderne Unterrichtsformen wie zum Beispiel die Musikalische Grundausbildung, die der Kanton im Lehrplan 21 empfiehlt», schreibt er.

Musikalische Grundausbildung

Das Fach Musikalische Grundausbildung wird in der ersten und zweiten Primarschulklasse durch Fachlehrer der Musikschule unterrichtet. Es ist in den Unterricht integriert, kostenlos, aber nicht obligatorisch und ergänzt den Musikunterricht durch die Primarschullehrer. In der Musikalischen Grundausbildung erlenen die Kinder zum Beispiel Noten-Lesen, die Unterscheidung zwischen Dur- und Moll, die verschiedenen Takt-Arten und setzen sich mit verschiedenen Musikstilen auseinander.

Was genau das für den Blockflötenunterricht an der Schule bedeutet, ist noch unklar. Der Stadtrat hat noch keinen Beschluss gefasst, ob er dem Gemeinderat beantragen wird, die Subventionen zu streichen oder anders einzusetzen. Dies erwartet Daniel Pellegrini vom Stadtrat: «Die Stadt soll den Musikunterricht unterstützen, aber nicht ein einzelnes Instrument, das überdies kaum noch gefragt ist.»

Veraltete Unterrichtsform

Musikschulleiter Ekkehard Sassenhausen widersetzt sich diesen Plänen nicht. «Die Blockflötengruppenkurse in der bisherigen Form sind nicht mehr zeitgemäss», sagt er. Früher habe die Blockflöte als Einstiegs-Instrument gegolten. Bevor die Kinder Cello, Schlagzeug oder Saxophon spielen, sollten sie mit der Blockflöte an das Erlernen eines Instruments herangeführt werden. «Darum hat man auch den Blockflötengruppenunterricht in die Schule integriert.»

Heute aber gehe die Musikpädagogik die Musikförderung ganzheitlicher an. «In der Musikalischen Grundausbildung geht es darum, dass Kinder Musik mit allen Sinnesorganen erfahren: übers Hören, über die Bewegung, über die Auseinandersetzung mit Rhythmus», sagt Sassenhausen. Die Idee eines Einstiegs-Instruments gibt es nicht mehr. «Wenn ein Erstklässler Geige spielen will, dann soll er Geige lernen und nicht Blockflöte.»

Als Konzertinstrument fördern

Der Musikschulleiter kann noch nicht sagen, ob es den Blockflötengruppenunterricht in der heutigen Form weiterhin geben wird, wenn die Stadt die Zuschüsse streicht. Die klassische Ausbildung zur Schulblockflötenlehrerin gebe es gar nicht mehr. «Es gibt nicht nur immer weniger Schüler, sondern auch immer weniger Lehrpersonen.» Viele Gemeinden hätten den Schulblockflötenunterricht deshalb bereits eingestellt.

Die Blockflöte verschwindet wohl aus der Schule. Dass ihr droht, bald ganz zu verstummen, verneint Sassenhausen aber: «Als Konzertinstrument steht sie bei uns an der Musikschule selbstverständlich weiterhin im Angebot; im Einzel- wie auch im Gruppenunterricht durch diplomierte Blockflötenlehrer.» Der Musikschulleiter räumt aber ein, dass auch dort die Schülerzahlen rückläufig seien und auch nie hoch waren. Die frühere Popularität als Anfänger-Instrument habe der Blockflöte ein schlechtes Image eingebrockt, ist Sassenhausen überzeugt. «Man denkt an ein angestrengtes Getute unter dem Weihnachtsbaum und vergisst, welch bedeutende Rolle die Blockflöte in der Musikgeschichte als Konzert- und Solo-Instrument gespielt hat.»


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