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Im Bezirksgericht Pfäffikon wird über die Strafe des Täters entschieden. (Bild: Nicolas Zonvi), Der «Vatermord» in Pfäffikon ereignete sich am 31. März 2015. (Archivbild: Newspictures), Ein früherer NZZ-Redaktor wurde von seinem damals 19-jährigen Sohn erschossen. (Archivbild: Newspictures)

Beschuldigter berichtet von familiärem Horror

Eine zerstörte Kindheit in einer extrem bedrückenden Familiensituation – das dürfte der Auslöser für den «Vatermord» in Pfäffikon gewesen sein. Am ersten Prozesstag kamen erschütternde Informationen ans Licht.

Im Bezirksgericht Pfäffikon wird über die Strafe des Täters entschieden. (Bild: Nicolas Zonvi), Der «Vatermord» in Pfäffikon ereignete sich am 31. März 2015. (Archivbild: Newspictures), Ein früherer NZZ-Redaktor wurde von seinem damals 19-jährigen Sohn erschossen. (Archivbild: Newspictures)

Veröffentlicht am: 31.10.2016 – 16.45 Uhr

Die Verhandlung gegen den 21-Jährigen, der im März 2015 in Pfäffikon seinen Vater erschossen hatte, begann am Montagmorgen mit einer Überraschung: die Prozessparteien beantragten, es seien noch vier weitere Zeugen einzuvernehmen.

Eine Überraschung, auf die kurz danach noch eine zweite folgte. Während nämlich die drei Zeugen der Anklage – darunter Nadja Schildknecht, die Direktorin des Zurich Filmfestivals – als Freunde des Vaters verständlicherweise nur Positives über den als «intelligent, fleissig, aber eher zurückhaltend» beschriebenen 67-Jährigen erzählten, der seinen Sohn trotz Meinungsverschiedenheiten «sehr gerne» hatte, brachte die Zeugin der Verteidigung Informationen ins Spiel, die bisher in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt waren. Und die die Einstufung der Tat sehr wohl beeinflussen könnten.

Wohnung in Schauer-Zustand

Die Zürcher Oberländerin, die den Angeklagten seit acht Jahren als Schulkollegen ihres Sohnes und regelmässiger Gast in ihrem Haus sehr gut kennt, schilderte den 21-Jährigen als «liebenswert, hilfsbereit, lebensfreudig – ein Sonnenschein». Ein Kind jedoch, bei welchem «man merkte, dass zwischen Vater und Sohn einiges im Argen liegt».

Eine der Erklärungen dafür war nach Ansicht der Zeugin, dass der Vater «zwei Gesichter hatte». Nach aussen trat er als in teuren Anzügen gekleideter früherer NZZ-Redaktor auf, privat sah jedoch alles anders aus. So traf die Zeugin, die nach der Tat im Auftrag der Behörden in der gemeinsamen Wohnung von Vater und Sohn Kleider für den verhafteten Sohn holen durfte, laut ihren Angaben auf desaströse Zustände: Schimmel im Kühlschrank, Spinnennetze an den Wänden, im defekten WC alles schwarz, fettüberzogene Küchenkästen, überall Dreck und herumliegende Kleider und Pornohefte.

Frühes Ende der Kindheit

Die sehr ausführliche Befragung des Sohnes durch die vorsitzende Richterin stützte das Bild der schlimmen Zustände in der Familie. Seit er siebenjährig war, «haben sich Vater und Mutter nie verstanden», erzählte der junge Mann. Die Mutter, eine Russin, sei für den Vater lediglich «ein Hausmädchen gewesen, ein Statussymbol, das er aus dem Ausland heimbrachte». Es habe immer wieder Streit gegeben, auch mit Einsatz von Gewalt. «Ich musste früh aufhören, Kind zu sein», erinnerte sich der 21-jährige mit stockender Stimme vor Gericht, während zwei der Zuhörerinnen in Tränen ausbrachen. Freude fand er nur im regelmässigen Schwimm-Wettkampftraining.

Nachdem sich die Eltern dann getrennt hatten, zog der Sohn zur Mutter. Ebenso wie ihr Mann habe sie ein Alkoholproblem gehabt. Seinen 13. Geburtstag verbrachte der Sohn am Bett der geliebten Mutter in einem Spital, in welches sie aufgrund der Folgen des Trinkens eingeliefert worden war; zwei Tage später starb die 48-Jährige.

«Vater hat mich gebrochen»

Der Sohn zügelte nun gezwungenermassen zum Vater. «Wir sprachen pro Tag vielleicht zehn Sätze miteinander», schilderte er das Leben in der Wohnung in Pfäffikon. Ausser kochen, erledigte der Teenager alles, was an Haushaltarbeiten anfiel. Ein Wort des Dankes habe er dafür nie gehört – im Gegenteil: der Vater nörgelte rum, und bei jedem Streit musste der Sohn hören, er sei «ein Hurensohn, ein Arschloch, eine Missgeburt – wie die Mutter».

Ab 2015 begann der Sohn zu kiffen, und er hatte schwere Magenprobleme. Auch am 31. März ging er deswegen nicht arbeiten. Die Reaktion des Vaters: Beleidigungen und Schläge. Nach einem Arztbesuch am Nachmittag beichtete der Jüngling dem Vater, er werde den Lehrabschluss wohl nicht schaffen. Der Vater habe «nur hämisch gelacht». Und in diesem Moment, da «hat er mich gebrochen; ich war völlig am Ende». Der Sohn holte die Pistole des Vaters und erschoss den Mann, der ihn immer «hasste und verachtete». Danach wollte er sich selbst richten, stellte sich dann aber der Polizei.

Rechtlich gesehen kein Mord?

Der Prozess geht am Dienstag mit den Plädoyers von Anklage und Verteidigung weiter. Im Zentrum steht dabei die rechtliche Würdigung der Tat. Dabei zeichnet sich bereits deutlich ab, dass die von der Anklage geforderte Einstufung als Mord einen schweren Stand haben wird.


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